Bei großen Konzerten gibt es hin und wieder ein "Meet and Greet". Dabei können Auserwählte, oft Sieger von Gewinnspielen, einen Star backstage treffen, Selfies schießen, Autogramme keilen, smalltalken. Nett – und für Fans unvergesslich. Die deutsche Band Rammstein bietet diese Möglichkeit ebenfalls. Doch wie sich nun abzeichnet, mit anderen Absichten.

Mit schweren Vorwürfen sieht sich der Frontmann der deutschen Band "Rammstein" derzeit konfrontiert.
Imago/Gonzales Photo/Sebastian Dammark

Eine Reihe junger Frauen gab laut Berichten der Süddeutschen Zeitung und des NDR an, aus dem Umfeld der Band für Backstagepartys regelrecht rekrutiert worden zu sein. Derart geschmeichelt, von quasi offizieller Stelle auserwählt worden zu sein, nahmen sie an den Partys teil. Bei denen aber, so der Vorwurf gegen Sänger Till Lindemann, soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Möglicherweise wurden sie mit Drogen gefügig gemacht oder außer Gefecht gesetzt. Ein unvergessliches Treffen? Ja, aber nicht im Guten.

Wiewohl die Unschuldsvermutung gilt, ergibt das ein klassisches Setting für Machtmissbrauch. Auf der einen Seite Fans, die ihrem Idol nahe sein wollen, auf der anderen Seite der 60-jährige Star, der Hof hält und via Fleischbeschau auswählt, mit wem er sich zu vergnügen gedenkt. Anscheinend mit allen Mitteln. Das ist selbst in Anbetracht des Klischees von Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll ungustiös. Jedoch, so der Verdacht, hat das bei Rammstein sogar System.

Chatverläufe belegen die Anbahnungsstrategien, und wie so oft melden sich Betroffene erst, wenn ein Opfer den Mut fasst, sich gegen ein scheinbar übermächtiges System aufzulehnen. Abgesehen von einem knappen Dementi schweigen Lindemann und Co seit Tagen. Das ist den mutmaßlichen Opfern gegenüber ebenso unerträglich wie gegenüber den Fans. Wie Lindemann sich angesichts dieser Vorwürfe allabendlich auf die Bühne stellen und den wilden Mann geben kann? Man wundert sich. (Karl Fluch, 2.6.2023)