"Neusiedl ohne See" – diese ORF-Mockumentary auf dem Doku-Sendeplatz in ORF 1 hat massiven Grant im Burgenland ausgelöst. Nun weist "Dok 1"-Sendungsverantwortlicher und ORF-Presenter Hanno Settele in einer Reaktion auf den Beschwerdebrief des Burgenland-Tourismus-Chefs die Vorwürfe zurück, man könnte die Sendung als bare Münze nehmen. Die Szenen seien "ohne jeden Zweifel als Satire erkennbar", zudem habe die Sendung die Satire selbst am Schluss explizit ausgeschildert. Setteles Schreiben liegt dem STANDARD vor.

Hanno Settele
"Glaube ich nicht, dass Verwechslungsgefahr mit der Realität besteht": Hanno Settele weist Kritik des Burgenland Tourismus an "Neusiedl ohne See" zurück.
ORF

"Unmissverständlich"

"Der ORF und die ausführende Produktionsfirma haben von Vornherein unmissverständlich klargemacht, dass es sich bei dieser Sendung um eine satirische Betrachtung eines ernsten Problems handelt. Dies ist evident durch sämtliche Programmankündigungen im ORF selbst als auch in den österreichischen Printmedien", antwortet Settele Burgenland-Tourismus-Direktor Didi Tunkel.

Tunkel schrieb ORF-Generaldirektor Roland Weißmann und Hanno Settele einen offenen Protestbrief und von einer beginnenden "Storno-Welle" aufgrund der "dystopisch künstlich gestalteten Bilderwelten einer schwarzgemalten 'falschen Realität'". Damit würden "gerade Arbeitsplätze und Existenzen vernichtet".

"Aberwitzig" bis "grotesk"

Settele stellt Tunkels Kritik eine Reihe von Spielszenen in der Doku beispielhaft entgegen:

  • Einer der größten Bootshändler des Burgenlandes fährt mit einem gelben Mini-Traktor eine Segelyacht über seinen Parkplatz. In der Segelyacht sitzt seine Frau und meint, dass sie das "eh genieße". Der Bootshändler selbst verweist darauf, dass er sich wie im Wiener Prater fühle und dass er jetzt solche Rundreisen auf seinem Parkplatz um 15 Euro pro Person anbieten werde. Settele: "Ich hoffe, dass diese groteske Szene als Satire erkennbar war."
  • "Ich bin zu Besuch bei einem der größten Gastronomiebetriebe des Landes, nämlich Das Fritz. Der überregional bekannte Wirt erklärt mir, dass es keine Fische mehr gäbe und er nun auf Heuschrecken umsatteln müsse. Diese werden auch gemeinsam verkostet. Ich hoffe, dass diese aberwitzige Szene als Satire erkennbar war."
  • Winzer Erich Scheiblhofer sagt in der Sendung, er überlege, seine Weine künftig "Desert Storm" oder "Armageddon" zu nennen. Settele: "Auch hier glaube ich nicht, dass Verwechslungsgefahr mit der Realität besteht."
  • Der Vorstandschef der Burgenland Energie, Stephan Sharma, erklärt in der Mockumentary, sein Unternehmen plane, in alten Gasleitungen Salzwasser aus dem Mittelmeer von Italien in den Seewinkel zu pumpen. Setteles Vorschlag, ein „burgenländisches Barrier Reef" zu kreieren, findet seine Zustimmung. "Ich bin mir sicher, dass dies als Satire erkenntlich war."
  • Der österreichische Fußballnationaltrainer Ralf Rangnick schlägt in der Folge vor, auf dem Gebiet des ausgetrockneten Sees das neue Fußballnationalstadion zu errichten, welches der ÖFB gemeinsam mit dem SC Eisenstadt betreiben soll. "Auch hier leben wir als Sendungsteam in der Überzeugung, dass diese Aussagen ohne jeden Zweifel als Satire, als Fiktion erkennbar waren. Was durch die absurden Bilder des 'künftigen' Stadions im Wüstensand, umgeben von zahlreichen Windrädern, noch einmal unterstützt wurde", schreibt Settele dem Tourismusdirektor.
  • Settele verweist noch auf die Szene, in der Sänger Waterloo (Hans Kreuzmayr) versucht, mit dem Erzherzog-Johann-Jodler das Wasser in den See "zurückzusingen". Settele: "Man mag den Humor nicht teilen, es bleibt aber dabei: Auch diese Darstellung ist jenseits jeder realistischen Vorstellungskraft."

Diese und weitere Szenen aus der Mockumentary "müssen alle zur gleichen Erkenntnis führen", findet Settele: "Es handelt sich bei dieser Sendung nicht um ein realistisches Abbild der Situation, sondern um eine grotesk überzeichnete satirische Behandlung eines an sich ernsten Themas." Und die letzten fünf Minuten des Films ließen "keine Zweifel darüber aufkommen, wie es in der Realität aussieht. Nämlich dass der See eben nicht ausgetrocknet ist. Wir aber alle Anstrengungen unternehmen müssen, dass es nicht dazu kommt. Bewusstsein zu schaffen: Das war die Absicht hinter diesem Film."

Settele weist die Behauptung von Burgenland-Tourismus-Direktor Tunkel zurück, der ORF habe sein Interviewangebot für die Sendung ausgeschlagen ("Mein persönliches Angebot, Ihnen bei dieser Produktion als Interviewpartner seitens des Burgenland Tourismus zur Verfügung zu stehen, haben Sie – absichtlich? – nicht angenommen.")

Zwei Interviewangebote ausgeschlagen

Der Sendungsverantwortliche wundert sich über diese Darstellung: "Das entspricht nicht den Tatsachen. Wahr ist vielmehr, dass der Produzent der Sendung Sie am 28. 4. in der Mole West in Neusiedl am See persönlich getroffen hat. Dort wurde Ihnen das Konzept der Sendung präzise dargelegt. Sie haben im Zuge dieses Gesprächs unmissverständlich klargemacht, dass Sie 'für so eine Sendung nicht zur Verfügung stehen'. Diese Entscheidung steht Ihnen natürlich frei."

Am 15. Mai ist Settele nach seiner Darstellung Tunkel auf der Hauptstraße von Neusiedl am See zufällig begegnet. Settele: "Ich habe Sie ebendort noch einmal gefragt, ob Sie nicht mitwirken wollen, was Sie erneut deutlich verneint haben. Ich halte also fest: Sie sind zweimal persönlich gefragt worden und haben zweimal abgelehnt." (fid, 4.6.2023)