AMS-Chef Johannes Kopf.
Heribert Corn

Wien – AMS-Chef Johannes Kopf erwartet in den kommenden Monaten einen leichten Konjunkturabschwung und damit einen geringen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich. Er rechnet nicht mit einer baldigen Entspannung des Fach- und Arbeitskräftemangels. Das steigende Arbeitskräfteangebot könne höchstens punktuell Abhilfe schaffen, an der Großwetterlage ändere sich dadurch nichts. Potenziale ortet Kopf unter anderem bei der Zuwanderung und der Frauenarbeitslosigkeit.

Der Arbeitsmarkt erweise sich gegenüber der schwächelnden Wirtschaft derzeit als erstaunlich robust, ein Umstand, der auch auf den Arbeitskräftemangel zurückzuführen sei, sagte Kopf im Gespräch mit der APA. So seien die Arbeitgeber momentan besonders darauf bedacht, ihr Personal zu halten. "Das unterscheidet die jetzige Situation von 2015 und 2016", sagte Kopf. Auf der anderen Seite spiegle sich der Fachkräftemangel auch in der Zahl der inserierten Stellen beim Arbeitsmarktservice, die zuletzt kräftig nach oben gegangen ist.

Zur Bekämpfung der Knappheit sieht Kopf zunächst einen Ansatzpunkt bei den Arbeitgebern selbst. Diese seien gefordert, sich und ihr Stellenangebot zu attraktiveren. Gefragt sei ein flexibler und kreativer Ansatz im Rekrutierungsprozess, der voraussetze, dass keine Gruppen - etwa ältere Personen, Frauen sowie Migrantinnen und Migranten - ausgeschlossen werden. Alleine damit könne ein Unternehmen seine Position deutlich verbessern. Das AMS avanciere dabei immer mehr zum "Partner der Wirtschaft", indem es Wege für Arbeitgeber aufzeige, neue Mitarbeiter zu gewinnen, sagte Kopf.

Anwerbung und Kinderbetreuung

Einen weiteren Hebel sieht der AMS-Vorstand im Bereich der qualifizierten Zuwanderung. Er begrüße die zuletzt erfolgten Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Diese müssen nun beworben werden. Um sich gegen andere Länder mit höheren Ressourcen zu behaupten, seien etwa gezielte Anwerbeaktionen oder Kooperationen vor Ort denkbar. Klar müsse aber sein, dass dies ohne finanziellen Zusatzeinsatz nicht gehe. Und: "Billiger" müsse man die RWR-Karte, die den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten regelt, jedenfalls nicht mehr hergeben. Zudem gebe es noch Potenziale in europäischen Ländern. Im langjährigen Schnitt seien aus den EU-Staaten wesentlich mehr Personen nach Österreich gekommen als über Drittstaaten, gab der AMS-Chef zu bedenken.

Luft nach oben gibt es aus Sicht von Kopf bei der Arbeitsmarktintegration von Vertriebenen aus der Ukraine. Mit dem erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt seit April sei ein wichtiger Schritt erfolgt, die Integration laufe aber weiter schleppend. Kopf schilderte eine Situation, die sich als "waiting dilemma" bezeichnen lasse: Bei vielen Geflüchteten aus der Ukraine bestehe die große Hoffnung, alsbald in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Das hindere die betroffenen Personen jedoch daran, sich eine Arbeit zu suchen und die Sprache zu erlernen. Je länger sich der Krieg ziehe, desto zäher werde deren Integration - so verständlich die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr auch sei.

Laut einer rezenten Analyse des Wiener Instituts für Wirtschaftsforschung (wiiw) kommen Vertriebene aus der Ukraine hierzulande vor allem im Niedriglohnsektor unter. Das sei aus Sicht von Höherqualifizierten nicht optimal, helfe aber ebenso bei der Eingliederung, da parallel Weiterbildungsmaßnahmen zugänglich seien. "Integration, die höherwertig ist, dauert länger", sagte Kopf dazu und verwies auf Erfahrungen mit der Nostrifizierung von syrischen Ärztinnen und Ärzten, die sich teilweise über Jahre erstreckt habe. Vor diesem Hintergrund plädiert der AMS-Chef für ein Sonderbudget, um Ukrainerinnen und Ukrainer bei dem Prozess unterstützen zu können. Derzeit liefen auch auf EU-Ebene Gespräche darüber, welche Maßnahmen man langfristig für die Integration setzen könne.

Kopf regte zudem an, die Kinderbetreuungsmöglichkeiten auszubauen, um mehr Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Es existiere hier genügend Potenzial, "wenn man die Kinderbetreuung endlich flächendeckend ganztags und auch noch leistbar oder im Idealfall gratis macht". In vielen Fällen scheitere es an der verfügbaren Arbeitskraft, was wiederum eine Frage der Attraktivierung sei. Generell brauche es einen ambitionierten Ausbauplan, der auch die Bundesländer einbinden müsse.

Keine Massenarbeitslosigkeit durch KI

Die Arbeitslosenzahlen werden heuer aufgrund der Konjunktureintrübung voraussichtlich leicht steigen. Gegenüber dem Vorjahr wird die Arbeitslosigkeit 2023 im Jahresschnitt laut Schätzung um rund 6.700 zunehmen und Männer etwas stärker betreffen, geht aus der im April veröffentlichten Arbeitsmarkt-Prognose des Forschungsinstituts Synthesis für das AMS hervor. Vertriebene aus der Ukraine werden seit kurzem in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Im Mai gab es 9.000 zusätzliche Arbeitslose und Schulungsteilnehmer, davon waren 4.400 Ukrainerinnen und Ukrainer. Mit der etwas stärkeren wirtschaftlichen Wachstumsdynamik des kommenden Jahres soll sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit verlangsamen. Im Jahr 2024 soll die Arbeitslosigkeit laut Prognose kaum mehr zunehmen (+2.900).

Kopf erwartet durch den Vormarsch der Künstlichen Intelligenz (KI) keine Massenarbeitslosigkeit in Österreich. Die langfristigen Folgen der KI-Technologie auf den Arbeitsmarkt sind derzeit aber noch schwer absehbar. "Es wird ganz massive Auswirkungen haben", sagte Kopf. Es werde vor allem Arbeitskräfte mit mittlerer bis höherer Qualifikation und Routine-Tätigkeiten treffen. Vor allem Bürotätigkeit, Textproduktion und der juristische Bereich seien für den Einsatz von KI prädestiniert. Dies werde womöglich zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen führen, durch den Innovationsschub und zusätzliches Wirtschaftswachstum würden aber andere neue Jobs entstehen, erwartet Kopf. Künstliche Intelligenz ist für ihn mit bahnbrechenden Erfindungen wie der Dampfmaschine, Eisenbahn, Elektrotechnik und Computer vergleichbar.

Experten der Investmentbank Goldman Sachs haben kürzlich in einer KI-Analyse ausgerechnet, dass etwa zwei Drittel der derzeitigen Arbeitsplätze einem gewissen Grad an KI-Automatisierung ausgesetzt sind. Die generative KI könne bis zu einem Viertel der derzeitigen Arbeit ersetzen. "Rechnet man unsere Schätzungen auf die ganze Welt hoch, so könnte generative KI das Äquivalent von 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen der Automatisierung aussetzen", heißt es in der Analyse. Im Bericht ist aber kein Zeitrahmen angegeben, bis wann die Jobverluste durch KI durchschlagen und die Entstehung neuer Arbeitsplätze nicht berücksichtigt. AMS-Vorstand Kopf sieht die Analyse als Indiz, dass es "enormen Weiterbildungsbedarf" durch die Verbreitung von KI geben wird. (APA, red, 4.6.2023)