Johannes Dieterich aus Johannesburg

Neben Stromnot und Verbrechensüberschwemmung sieht sich Südafrikas Bevölkerung derzeit noch mit einer weiteren Plage konfrontiert: der Schlagloch-Seuche. Allein in Johannesburg werden dem Straßenamt Woche für Woche rund tausend neue Krater im Teer gemeldet, im ganzen Land verdoppelte sich die Zahl der Autofallen in den vergangenen fünf Jahren auf 25 Millionen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um harmlose Asphalt-Dellen, auf die Fahrzeuge nur mit kleinem Holpern reagieren. Immer wieder wird auch von Badewannen oder Sinklöchern berichtet, in denen Kleinwagen bis zur Automitte verschwinden.

Schlagloch in Johannesburg samt Beschriftung
In der öffentlichen Wahrnehmung werden die Schlaglöcher mit der Regierungspartei ANC verbunden.
APA/AFP/GUILLEM SARTORIO

Längst kommen die Straßenämter mit der Reparatur der Löcher nicht mehr nach: Vermutlich verschwinden auch die finanziellen Mittel dafür in den Taschen der Kommunalpolitiker. Aus ganz eigennützigen Gründen haben sich mehrere Versicherungsfirmen deshalb bereiterklärt, der Behörde mit einer "Pothole Patrol" – einer Schlagloch-Brigade – zur Seite zu stehen: Schließlich wird auf diese Weise auch der steigenden Flut von Versicherungsfällen begegnet. Innerhalb von zwei Jahren soll die private Baubrigade allein in Johannesburg 150.000 Schlaglöcher gefüllt haben. Kaum mehr als ein Teertropfen auf den löchrigen Asphalt, aber zumindest etwas.

"Dieses Schlagloch widmet Ihnen ..."

Weil niemand in der Privatwirtschaft etwas Gutes tut, ohne nicht möglichst laut darüber zu reden, identifizierte die Pothole-Patrol jedes gestopfte Loch mit einer auf den Teer gesprühten Signatur: Repariert mit freundlicher Unterstützung ihres Versicherungsunternehmens. Das brachte zynische Südafrikaner jüngst auf die Idee, auch die nicht gefüllten Löcher im Teer mit einer Signatur zu versehen: Sie pflegen die Krater mit einer fluoriszierenden Farben zu umranden und daneben "ANC" zu sprühen, das Kürzel der Regierungspartei. Die Praxis sollte gleich zwei Zwecke erfüllen: die Autofahrer sowohl auf die gefährlichen Fallen wie auf die Verantwortlichen der Plage aufmerksam zu machen.

Verständlicherweise fanden die Stadtväter und Stadtmütter des ANC am Sarkasmus der Stadtbewohner und -bewohnerinnen keinen Gefallen. Sie verwiesen auf Kapitel 2, Absatz 6 der Johannesburger Straßenverkehrsordnung, die bestimmt: "Keine Person darf in irgendeiner Weise öffentliche Straßen oder Teile von öffentlichen Straßen oder ein dazugehöriges Konstrukt verunstalten, markieren oder bemalen, ohne eine schriftliche Genehmigung des Stadtrats." Verstöße gegen die Verkehrsordnung würden mit saftigen Geldstrafen geahndet, drohen die Lokalpolitiker des ANC: Schließlich soll in der Metropole Ordnung herrschen, selbst im von der Regierungspartei angerichteten Chaos. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 5.6.2023)