Baukräne im Sonnenuntergang
Im Bausektor machen sich traditionell viele Arbeiter selbstständig. Derzeit ist das Risiko dafür aber zu groß.
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Selbstständig zu sein und damit sein eigener Chef – davon träumen viele Menschen. Die unternehmerische Realität hat sich in den vergangenen Jahren aber geändert. Das Risiko für die Selbstständigkeit ist gestiegen. Damit ist die Lust auf das eigene Unternehmen gesunken, wie eine Analyse des Datenanbieters Dun & Bradstreet zeigt.

In Österreich wurden demnach in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres 4711 Neugründungen verzeichnet. Das sind um 25,1 Prozent weniger als in der Vorjahresperiode. Damit fiel die Start-up-Zahl auf den tiefsten Wert seit acht Quartalen. Der negative Trend zieht sich quer durch alle Bundesländer, wobei Wien als wirtschaftliches Zentrum Österreichs von dem Rückgang überdurchschnittlich stark betroffen war.

Schwächelnder Bausektor

Vor allem im Immobiliensektor und in der Bauwirtschaft herrscht aktuell eine ungünstige Gründerstimmung. Das ist eine Einschätzung, die auch Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Unicredit Bank Austria, teilt. "Im Bausektor machen sich traditionell viele Handwerker selbstständig, die als Subunternehmen engagiert werden", erklärt Bruckbauer. Derzeit sei das nicht zu beobachten.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Sektoren Bau und Immobilien sind zuletzt schwach gelaufen. Die Branchen wurden stark getroffen vom Materialengpass, von massiv gestiegenen Kosten für Vorprodukte, und nicht zuletzt leiden auch diese Bereiche unter dem Mangel an Fachkräften. Das sei kein Umfeld, das die Gründung eines eigenen Unternehmens attraktiv mache. Die Leute blieben in diesem ungewissen Umfeld lieber in ihren Angestelltenverhältnissen. Dun & Bradstreet hat einen Rückgang bei Gründungen von Immobiliengesellschaften um 27,7 Prozent auf 392 Unternehmen erhoben.

Finanzierungen gehen stark zurück

Dass der Immobiliensektor und damit in der Folge auch die Baubranche unter großem Druck sind, zeigt sich auch an anderen Zahlen: Im ersten Quartal 2022 haben die Banken in Österreich noch 2,5 Milliarden Euro pro Monat an Immobilienfinanzierungen vergeben. Im ersten Quartal des laufenden Jahres war es nur noch eine Milliarde Euro, die pro Monat finanziert wurde. Das hat freilich auch mit den verschärften Kreditvergaberegelungen zu tun, die seit vergangenem August gelten.

Der Arbeitsmarkt ist im Moment auch relativ eng, und es gibt genug offene Stellen. Das ist ebenfalls kein gutes Umfeld für Gründungen. Sind wenige Jobs verfügbar, machen sich die Menschen eher selbstständig. Auch im Finanzsektor (minus 16,8 Prozent) hielten sich potenzielle Gründer zurück.

Eine grundsätzliche Eintrübung sieht Bruckbauer aber nicht. Österreich sei nicht gründungsfeindlicher geworden. "Mit dem Krieg in der Ukraine, den gestiegenen Kosten für Materialien sowie für Energie und dem Inflationsdruck sind die Unsicherheiten momentan in Summe einfach größer geworden", sagt der Unicredit-Bank-Austria-Experte.

Viel Förderung, wenige Insolvenzen

Nicht vergessen werden dürfe laut Bruckbauer auch, dass es "in den vergangenen Jahren aufgrund der vielen Corona-Förderungen weniger Insolvenzen gegeben hat". Denn nicht jede Insolvenz sei auch immer eine Pleite. Oft lösten Inhaber eines Unternehmens dieses selbst auf und starteten mit einer anderen Idee neu durch. Durch die Förderungen seien Firmen aber länger am Leben gehalten worden.

Hinzu kommt, dass sich die österreichische Wirtschaft im Vorjahr im EU-Vergleich nur unterdurchschnittlich entwickelt hat. Dieser Trend setzte sich zu Beginn des neuen Jahres fort. Im ersten Quartal wurde laut Eurostat ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent verzeichnet. Auch das Umfeld für Unternehmensfinanzierungen ist laut Dun & Bradstreet schwieriger geworden. Der vom Wifo berechnete Index für die Kreditbedingungen österreichischer Unternehmen liegt im negativen Bereich. (Bettina Pfluger, 5.6.2023)