In Wien schreckt die Stadtregierung vor Superlativen nicht zurück, wenn es darum geht, positive Entwicklungen hervorzustreichen. Die rund 53 Prozent Grünraumanteil an der Gesamtfläche machen Wien etwa "zur grünsten Stadt der Welt", wie es in Aussendungen der Stadt heißt. Einen großen Beitrag, wie im Büro von Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) formuliert wird, leisten mehr als eine halbe Million Bäume im Stadtgebiet, um die sich die Wiener Stadtgärten kümmern.

Da städtische Areale besonders vom fortschreitenden Klimawandel betroffen sind, hat sich Rot-Pink zum Ziel gesetzt, neue Grünflächen und Parks zu schaffen sowie jedes Jahr rund 4.500 Stadtbäume zu pflanzen. Bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 sollen so 25.000 neue Bäume im Straßenraum aufgestellt werden – "davon bis zu 3.000 an neuen Standorten", wie im Koalitionsübereinkommen von SPÖ und Neos fixiert wurde. Sie sollen nicht nur eine Luftverbesserung bringen, sondern auch für Abkühlung sorgen, wenn sich die Stadt bei steigenden Temperaturen aufheizt.

Ein Wiener Straßenbaum im Sommer des Vorjahres: Durch die lange Trockenperiode und Hitze schalteten die Bäume stressbedingt in den Notfallmodus.
Christian Fischer

Tatsächlich werden in der Stadt tausende neue Bäume pro Jahr gepflanzt. Teilweise wurde die Zahl von 4.500 Bäumen in den vergangenen Jahren auch deutlich übertroffen. Was die Regierung aber nicht dazusagt: Der Großteil ist auf behördlich vorgeschriebene Nachpflanzungen zurückzuführen, weil auch aufgrund von Bauprojekten in der wachsenden Stadt zahlreiche Bäume gefällt werden. Das geht aus Anfragebeantwortungen durch das Ressort von Stadtrat Czernohorszky an die grüne Gemeinderätin Huem Otero García hervor.

Ersatzpflanzungen meist im Verhältnis 1:1

Konkret wurden im Jahr 2021 von der Stadt 9.445 Baumentfernungen auf privaten Grundstücken bewilligt. Weil Bäume mit einem Stammumfang ab 40 Zentimetern als geschützt gelten, werden Ersatzpflanzungen verpflichtend. Großteils erfolgen diese im Verhältnis 1:1, bei größeren Bäumen kann die Verpflichtung auch mehr Baumpflanzungen beinhalten. Das führte dazu, dass 2021 genau 11.281 Ersatzpflanzungen vorgeschrieben wurden.

Kann nachgewiesen werden, dass eine Ersatzpflanzung auf dem privaten Areal nicht möglich ist, kann auch eine Ausgleichsabgabe an die Stadt gezahlt werden. Der im Wiener Baumschutzgesetz festgelegte Einheitssatz beträgt 1.090 Euro pro Baum. Gleich in 3.420 Fällen wurde eine Ausgleichsabgabe an die Stadt bezahlt, die Einnahmen aus dieser Abgabe betrugen knapp fünf Millionen Euro. Die Stadt muss dann auf öffentlichem Gut und in Parks für die Ersatzpflanzungen sorgen – und das räumlich möglichst nahe zum gerodeten Baum.

Neben diesen 3.420 Bäumen aus der Ausgleichsabgabe muss die Stadt aber auch selbst im Verhältnis 1:1 für Ersatzpflanzungen sorgen, wenn auf öffentlichem Grund Bäume gefällt werden. Im Jahr 2021 wurden demnach 3.737 Bäume auf Flächen der Stadtgärten sowie im Straßenbereich gefällt.

Daraus ergibt sich zusammengerechnet, dass Wien alleine im Jahr 2021 für die Ersatzpflanzung von 7.157 Bäumen Sorge tragen musste. Tatsächlich gepflanzt wurden laut der Grünen Otero García, die auf die Anfragebeantwortung verweist, aber nur 4.659 Bäume. "Wenn die Stadtregierung von jährlich 4.500 neuen Bäumen in Wien spricht, ist das ein Pflanz", sagt Otero Garcia dem STANDARD. "Sie kommt nicht einmal ihrer gesetzlichen Verpflichtung für Nachpflanzungen nach." Das würden auch Zahlen zu Baumfällungen und -pflanzungen aus den Jahren 2020 und 2019 belegen. Die Grüne fordert "eine echte Baum-Offensive" – und taxiert diese mit 100.000 zusätzlichen Bäumen an neuen Standorten, "um für die zunehmende Erhitzung in der Stadt gewappnet zu sein".

Auch auf ehemaligen Asphaltflächen werden in Wien Bäume gepflanzt. Das Aufstellen ist hier deutlich teurer als auf Grünarealen. Die meisten neuen Bäume sind aber auf verpflichtende Nachpflanzungen zurückzuführen.
Christian Fischer

Bald 100.000 Straßenbäume

Die Stadtregierung verweist auf ihre Bemühungen, auch im dichten Stadtgebiet für – durchaus kostspielige – Baumpflanzungen zu sorgen. Tatsächlich hat sich die Zahl der Straßenbäume von 87.200 im Jahr 2012 in zehn Jahren auf knapp 98.700 erhöht. Eine aktuelle Anfrage zu den Nachpflanzungen im Büro von Czernohorszky vom vergangenen Donnerstag blieb vorerst aber unbeantwortet.

Seit 2021 pflanzt die Stadt in ausgewählten Straßen und Plätzen auch sogenannte XL-Bäume, die rund 25 Jahre alt sind, einen Stammumfang von bis zu 60 Zentimetern aufweisen und von Beginn an als Schattenspender dienen. In der Zollergasse, am Neuen Markt, beim Praterstern, am Neuen Landgut oder in der Seestadt wachsen diese Bäume schon. (David Krutzler, 8.6.2023)