Hildegard Aichberger und Katharina Kropshofer
Oekostrom AG

Wofür braucht das Klima einen eigenen Journalismus?

Die Frage ist lustig, weil diese Diskussion innerhalb des Journalismus eigentlich noch stattfindet. Es gibt Leute, die sagen: "Wieso braucht es das extra? Das ist doch eh etwas, was überall vorkommt." Aber das Schöne und Spannende dran ist die Vielschichtigkeit. Das ist für mich guter Klimajournalismus. Das Ganze nicht nur als ein Thema zu sehen und auch nicht nur zu berichten, wenn ein neues Unwetter passiert etc., sondern die Klimakrise als Dimension zu sehen.

Ö3 veröffentlicht jedes Jahr eine Jugendstudie, bei der 16- bis 25-Jährige interviewt werden. 80 % sagen, das Thema ist ihnen wichtig und es passiert viel zu wenig. Und gleichzeitig geben sie aber an, sie fühlen sich dahingehend von den Medien zu wenig informiert. Welchen Grund kann das haben? Was machen die Medien da falsch?

Das deckt sich sehr gut mit Ergebnissen aus den Medienwissenschaften. Ich glaube, das ist der Punkt, wo wir ansetzen und sich die Medien erst einmal intern etwas überlegen müssen: Was machen wir dazu? Reicht es, wenn wir Events abdecken? Was noch zu wenig passiert, ist, dass man das wie etwa die Menschenrechte einfach immer mitdenkt und dass jede:r Journalist:in auch ein gewisses Basiswissen hat. Ich muss wissen, wie das Wahlsystem in Österreich funktioniert, aber auch vielleicht den IPCC-Bericht gelesen haben, also den Bericht des Weltklimarats. Sagen wir, ich habe ein Interview mit einem:einer Politiker:in – ich muss ja auch reagieren können. Ich glaube, die Medien haben da eine riesige Verantwortung, das in der Dringlichkeit, die das Thema nun einmal hat, zu kommunizieren.

Wenn jemand in einem Interview Behauptungen aufstellt, die so gar nicht haltbar sind, zum Beispiel beim Thema E-Fuels. Oder: Wir müssen nichts verändern und Klima ist vielleicht doch nicht so ein großes Problem, es geht mehr um Arbeitsplätze. Diese Narrative, die immer wieder erzählt werden. Wie antwortest du drauf in einer perfekten Welt?

Das Reagieren funktioniert sehr gut, wenn es um andere politische Themen geht. Das brauchen wir aber auch im Klima-Bereich. Man kann in der Ausbildung von Journalist:innen ansetzen. Ich habe Biologie studiert. Expertisen sind wichtig, damit man eine diversere Gruppe an Journalist:innen hat. Klimajournalismus auch an den FHs und Journalismus-Lehrgängen etablieren. In Graz an der FH Joanneum startet im Herbst ein Master für Klimajournalismus und Nachhaltigkeitskommunikation.

Wenn man sich mit Klimathemen auseinandersetzt, kommt man schnell in ein sehr unangenehmes Szenario. Die wissenschaftlichen Fakten besagen, dass wir uns im Moment Richtung drei oder vier Grad bewegen. Es gibt Studien, die zeigen: Wenn man mit so einer existenzbedrohenden Information konfrontiert ist, hat der Mensch einen Mechanismus, dass er nicht die Probleme löst, sondern dass er anfängt, irgendetwas anderes zu tun. Das geht dann in Richtung Nationalismus oder Fremdenfeindlichkeit. Oder eben Plastiksackerl-Verzicht. Natürlich besteht die Gefahr, wenn man auf die Dringlichkeit hinweist, dass viele Menschen für immer zumachen. Wie empfiehlst du, damit umzugehen?

Zuerst herausfinden, wie groß dieser Anteil in der eigenen Konsument:innen-Leserschaft überhaupt ist. Sehr prominent ist eine US-amerikanische Studie, Six Americas, die Gruppen von Leuten definiert hat. Es gibt die, die total resignieren. Die, die total aktiv sind. Und es gibt jene, die eher vorsichtig sind. Das ist die größte Gruppe. Die Anzahl verschiebt sich auch jedes Jahr. Leugnende werden immer weniger. Das ist schon mal gut. Aber gerade die Vorsichtigen kann man noch mit Fakten füttern. Und dann ist der nächste Schritt: Was hilft ihnen, und wie schafft man es, dass sie nicht kippen und resignieren? Ich glaube, man kann den Menschen Komplexität zutrauen. Aus meiner Sicht ist diese Gruppe an "ich weiß noch nicht, wie dringlich es wirklich ist" noch relativ groß.

Katharina Kropshofer ist Biologin und Journalistin. Sie hat das Netzwerk Klimajournalismus und das inklusive Online-Medium "andererseits" mitgegründet.

Hildegard Aichberger ist Vorstandsmitglied der oekostrom AG und im Unternehmen für Vertrieb und Marketing zuständig.

Hören oder sehen Sie sich gerne das vollständige Interview als Spezialfolge unserer Podcast-Reihe "Freitag in der Arena" an:

Sonderfolge mit Katharina Kropshofer: Wofür braucht das Klima einen eigenen Journalismus?
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