Florian Tursky, Nikhil Eapen, Ayush Sharma
Starhub-CTO Ayush Sharma und Starhub-CEO Nikhil Eapen im Gespräch mit Staatssekretär Florian Tursky.
BKA/Schrötter

Peter Zellinger aus Singapur

150 Singapur-Dollar. So viel kostet ein Komplettpaket des Telekomunternehmens Starhub aus Singapur. Darin inkludiert ist nicht nur ein Glasfasertarif, sondern auch Videostreaming mit Disney+, HBO und Amazon Prime sowie Gaming via Streams – die Bandbreite von 2 Gbit/s gibt das locker her. 150 Singapur-Dollar entsprechen etwa 103 Euro. Das ist zwar auch in Singapur kein Schnäppchen, dafür sind sämtliche Internetservices aus einer Hand. 

Verwöhntes Singapur

Zugegeben, Singapur ist für Telcos und Provider so etwas wie ein großer Bastel- und Spielplatz für allerlei neue Ideen. Der Stadtstaat ist nur etwa eineinhalbmal so groß wie Wien, beherbergt aber 4,5 Millionen potenzielle Kunden. Dazu kommt, dass schon vor Jahren der Grundstein für eine moderne Glasfaserinfrastruktur gelegt wurde. So waren und sind österreichische Firmen wie die Strabag ganz vorne mit dabei, wenn es um den Bau und die Erhaltung von Mikrotunneln geht – ideale Lebensadern für die Datenautobahn.

Singapur Shangri-La
Singapur ist für Serviceprovider die ideale Testumgebung für neue Ideen.
BKA/Schrötter

Aber: Die Kundschaft ist auch einigermaßen verwöhnt. Für einen Gigabit-Anschluss zahlt man etwa 24 Euro, und einen Smart-TV gibt es obendrein noch geschenkt. In diesem extrem kompetitiven Markt warnt Starhub-CEO Nikhil Eapen die Europäer vor einer Datenmaut.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gehört auf dem alten Kontinent zu den lautesten Befürwortern einer solchen Bandbreitensteuer für Google, Amazon, Apple und Co. Die Idee: Die Großen der Tech-Branche – Hyperscaler genannt – brauchen einen hohen Teil der Bandbreite, also sollen sie sich auch an den Kosten des Netzausbaus beteiligen. Die europäischen Provider befürworten diesen Plan. Sie behaupten, die fünf größten Onlinedienste verursachten rund 55 Prozent des Datenverkehrs. Das koste europäische Netzbetreiber etwa 15 Milliarden Dollar (14 Milliarden Euro) jährlich.

Dieses Konzept hat auch in der österreichischen Telekombranche seine Anhänger. Aber Kritiker vermuten dahinter eine versteckte Steuer auf das "Internet" im Allgemeinen – und die Kosten würden am Ende wieder an die Kunden weitergegeben.

Hyperscaler hätten leichtes Spiel

Eapen geht sogar noch weiter, er vergleicht die Datenmaut mit einem ungewinnbaren Krieg: "Das wäre so, als würde man versuchen, den Vietnamkrieg noch einmal zu führen. Das sind ganz alte Kämpfe", so der Chef des Serviceproviders bei einem Hintergrundgespräch mit einer Delegation aus Österreich. Auch der Chief Technology Officer Ayush Sharma pflichtet seinem Chef bei.

Sollten Telekommunikationsunternehmen Gebühren von den Tech-Giganten fordern, wäre es für die Riesen in der Branche ein Leichtes, lokale Provider vom Markt zu drängen. Space X mit zehntausenden Satelliten und eigener Infrastruktur wäre so ein Beispiel. "Telcos können so einen Krieg nicht gewinnen. Wir sind lokal limitiert, wir haben keine Software- und keine eigenen Hardwareentwickler. Die Hyperscaler werden einen Weg um dich herum finden", erklärt Sharma. Wichtiger sei es, mit den Großen der Branche zu kooperieren, statt über Gebühren einen aussichtslosen Kampf zu führen.

Connectivity as a Service

Deshalb will man bei Starhub einen anderen Weg gehen und den Kunden das digitale Leben so einfach wie möglich machen. An die Stelle von 5G- oder Glasfasertarifen sollen Konnektivitätspakete treten. Diese sollen eine Art Plug-and-Play-Service für die Kunden sein.

Frei nach dem Motto: Den meisten Kunden ist es egal, ob sie mit 5G oder 6G, Breitband, Satellit oder Drohnenschwarm online gehen – vorausgesetzt, Bandbreite und Latenzen sind auf einem kompetitiven Niveau. "Wieso soll es das Problem des Kunden sein, sich zu überlegen, ob ein Festnetzanschluss oder 5G am besten zu ihm passt", so Eapen.

Im Verbund mit Cloudlösungen sollen die Grenzen zwischen Fest- und Mobilnetz sowie WLAN eingerissen werden. Gleichzeitig soll man tage- oder stundenweise Services dazubuchen und wieder abbestellen können. Connectivity as a Service nennt sich das Konzept.

"Seit fünf Jahren reden wir über 5G-Use-Cases wie autonomes Fahren oder medizinische Anwendungen. Die meisten Telcos basteln an Lösungen, die einfach patschert sind – unsere Ökosysteme müssen sich endlich öffnen", erklärt Eapen und warnt nicht nur seinen europäischen Mitbewerb: "Als Provider muss man immer einen Schritt vor den Kundenwünschen sein. Fällt man einmal zurück, macht es ein anderer." Starhub verwendet dafür Technologie aus Europa: von Nokia und Ericsson.

Österreich klar gegen Datenmaut

Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) sprach sich beim Treffen mit dem Management von Starhub klar gegen eine Datenmaut in Europa aus und nannte derartige Pläne unter dem Deckmantel von "Fair-Use-Abkommen" Populismus in Richtung der großen US-Konzerne. "Eine derartige Besteuerung trifft am Ende nur die Kundinnen und Kunden, die doppelt zur Kasse gebeten werden. Ich bin froh, dass sich eine Mehrheit der europäischen Staaten im Rat Verkehr, Telekommunikation und Energie mehrheitlich für ein freies und offenes Netz ausgesprochen haben."

Dass es in Österreich ähnliche neue Ansätze geben kann wie in Singapur, davon ist Tursky ebenfalls überzeugt: "Wir verfügen über sehr innovative Telekommunikationsunternehmen, und wir sind in Österreich schon immer ein guter Testmarkt für neue Technologien gewesen." (Peter Zellinger aus Singapur, 10.6.2023)