Auslieferung, USA, Weinzierl, Odebrecht
Der frühere Chef der Meinl Bank, Peter Weinzierl, soll ausgeliefert werden.
APA/Herbert Neubauer

Die Verhandlung dauerte nicht rasend lang, das 182-seitige Urteil jedoch hat es in sich: Peter Weinzierl, früherer Chef der Meinl Bank soll in die USA ausgeliefert werden. Diese seine Entscheidung verkündete Richter Paul Goldspring vom Westminster Magistrates’ Court in London am Montagvormittag. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, Weinzierl wird nun den High Court anrufen. In einer Aussendung von Weinzierls Anwalt, aus der die APA zitierte, hieß es am Montag so: "Mein Klient ist extrem enttäuscht von dem heutigen Urteil, das nur ein weiteres Beispiel dafür ist, dass die britischen Gerichte den US-Behörden nachgeben und die Auslieferungsgesetze dieses Landes missbrauchen". Auf die vom Anwalt vorgebrachten Gegenargumente sei im Urteil keine Rücksicht genommen worden.

Die USA werfen dem früheren Meinl-Bank-Chef und einem weiteren Ex-Bankmanager und Julius Lindbergh Meinl V. unter anderem Steuerhinterziehung im Rahmen des Bestechungsskandals des brasilianischen Odebrecht-Skandals vor. Weinzierl soll laut der Anklageschrift (Indictment) der amerikanischen Justiz in die Machenschaften des Mischkonzerns verwickelt gewesen sein, über die einstige Tochter der Wiener Meinl Bank, der Meinl Bank Antigua. Odebrecht hatte sich mit Millionen an Schmiergeldzahlungen Aufträge in aller Welt erkauft, die Meinl Bank Antigua soll mitgeholfen haben. Sie wurde später an Strohmänner von Odebrecht verkauft, wie später bekannt werden sollte. Weinzierl und seine Ex-Kollegen bestreitet die Vorwürfe, und für ihn und sie alle gilt die Unschuldsvermutung.

Festnahme auf Privatflughafen

Der Wiener Ex-Banker war vor rund zwei Jahren auf dem Privatflughafen Biggin Hill in London festgenommen worden, er war selbst als Pilot im Cockpit gesessen. Die USA hatten davor einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Weinzierl fühlt sich in diesem Zusammenhang von den USA in eine Falle gelockt: Er argumentierte im Verfahren vor dem Londoner Gericht sinngemäß, von einem US-Diensten Nahestehenden nach London zu einem Geschäftsessen gelockt worden zu sein, damit er dort inhaftiert werden konnte. Die US-Vertreter haben das in der Auslieferungsverhandlung bestritten. Weinzierl wurde inzwischen aus der Auslieferungshaft entlassen, darf Großbritannien nicht verlassen, den allfälligen Wechsel seines Aufenthaltsorts muss er den Behörden bekanntgeben. 

Die Anwälte Weinzierls hatten zuletzt noch den Antrag gestellt, das Verfahren noch einmal neu aufzurollen, weil sie zu neuen Erkenntnissen gelangt seien. Auf einem Server in der Schweiz hätten sich neue Unterlagen zur Meinl Bank Antigua gefunden, die "Swiss Documents", wie sie genannt wurden. Sie würden Weinzierl entlasten und sollten laut den Juristen in der Entscheidung berücksichtigt werden, wie sie in der letzten Verhandlung argumentierten. Der Richter, der sein Urteil eigentlich schon am 20. April hätte verkünden wollen, klärte die Anwesenden damals auf, dass er bereits 175 Seiten seiner Entscheidung geschrieben habe – setzte allerdings ein weiteres Hearing an, an dem der Beschuldigte nicht teilnehmen musste. Die Urteilsverkündung setzte das für Auslieferungscausen zuständige Gericht  für 5. Juni an. Er ist den Gegenargumenten von Weinzierls Anwälten in keinem Punkt gefolgt.

In den USA droht lange Haftstrafe

Dem 57-jährigen Weinzierl drohen bei einer Verurteilung in den USA bis zu 70 Jahre Haft. Auch in Österreich gibt es ein Verfahren gegen ihn, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt zudem gegen Julius Lindbergh Meinl V., weitere Ex-Banker und acht Verbände. Sie erhebt den Vorwurf der Geldwäsche, Bestechung und Untreue. Die Beschuldigten bestreiten das, und auch für sie alle gilt die Unschuldsvermutung.

Weinzierl beklagte am Montag in einem Gespräch mit dem STANDARD, er habe sich mehrmals an Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gewendet, sei von dem aber "abgeschasselt" worden. Er könne sich nicht in ein britisches Gerichtsverfahren einmischen, habe der argumentiert. Es gehe aber um die US-Behörden, die ihm falsche Vorwürfe machten, hält Weinzierl entgegen. Man habe ja gerade auch im Iran Inhaftierte nach Österreich zurückgeholt, vergleicht der Exbanker diesen Fall mit seinem. "Ich würde mir erwarten, dass die österreichischen Behörden auf den Tisch hauen." Auch von Österreichs Justiz sieht er sich falschen Vorwürfen ausgesetzt.

Offener Brief für Österreich

Wie es nun weitergeht? Das Urteil wird ans britische Innenministerium (Homeoffice) weitergeleitet, das seine Zustimmung zur Auslieferung geben wird. Danach wird sich der Banker ans High Court wenden, mit einer Entscheidung rechnet er nicht vor den nächsten zwölf Monaten. Davor will Weinzierl noch einmal den Außenminister mit seiner Causa befassen – und er kündigt einen offenen Brief an.

Der Odebrecht-Konzern war nach Bekanntwerden des riesigen Korruptionsskandals insolvent geworden, einige Ex-Manager sagten als Kronzeugen aus und belasteten dabei unter anderem auch die einstigen Meinl-Bank-Manager. In den USA wurde der Konzern zu einer Strafe von rund 2,6 Milliarden Euro verdonnert, 2,4 Milliarden davon gingen nach Brasilien. Das Unternehmen wurde neu gegründet und firmiert heute unter dem Namen Novonor. (Renate Graber, 5.6.2023)