"Offensichtlich wurde da ein Nerv getroffen", freute sich die Vizedirektorin des Parlaments, Susanne Janistyn-Novák, bei der Eröffnung eines ausgebuchten Symposiums am Montagnachmittag. Die auf den ersten Blick große Sperrigkeit des Themas, der Strafprozessordnung, dürfte dazu beigetragen haben, dass Janistyn-Novák über den Andrang überrascht war. Doch die Veranstaltung hatte politische Brisanz: Auf Initiative von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sollte vor allem über Beschuldigtenrechte, Chat-Auswertungen und lange Verfahrensdauern debattiert werden.

Tatsächlich führte durch das Symposium mit Peter Lewisch ausgerechnet jener Strafrechtsprofessor, der 2021 ein entlastendes Gutachten für Sebastian Kurz verfasste. Und auch die Gästeliste diente nicht durchgehend zur Beseitigung empfundener Schlagseiten: Die Keynote hielt die türkise Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die grüne Justizministerin Alma Zadić war verhindert, schickte aber Grüße.

Karoline Edtstadler spricht sich für schärfere Regeln bei der Berichterstattung über sichergestellte Chats aus.
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Edtstadler wiederholte dann ihren schon vielfach vorgebrachten Appell, die Strafprozessordnung auf die "Höhe der Zeit" zu bringen – mit einem Zitierverbot aus Akten, wie es das in Deutschland gibt. Das habe aber nichts damit zu tun, dass gerade aus der ÖVP inkriminierende, problematische oder peinliche Chats an die Öffentlichkeit gedrungen sind: "Ich lasse mir hier keine Gesinnungspolitik unterstellen", denn das Problem treffe "alle Coleurs". Eine Spitze gegen die SPÖ, die die Zustimmung zu Gesetzen auch in der Justizpolitik verweigert, verkniff sich Edtstadler nicht: Diese wisse ja "nicht einmal, wer Vorsitzender ist".

Pilnaceks Spontanreferat

Die Vorträge zuvor fielen phasenweise differenziert aus, Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes sprach sich für Transparenz aus, Rechtsanwaltskammer-Chef Michael Rohregger gegen das von Edtstadler geforderte Zitierverbot. Ein Vortrag stand nicht im Programm: Der suspendierte Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek hob bei der Fragerunde zu einem mehrminütigen Spontanreferat an.

Während FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan in der abschließenden Diskussion von Abgeordneten der Parlamentsparteien einräumte, dass der "öffentliche Pranger" zuletzt überhand genommen habe, zeigte sich die Grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer ausgesprochen skeptisch. Die Medienfreiheit und freie Berichterstattung dürfe nicht eingeschränkt werden, sagte Prammer. "Massive Bedenken" gegen ein Zitierverbot aus Ermittlungsakten meldete Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter an: "Ich sehe keinen Grund, warum man die Medien in ihrer Arbeit beschränken sollte."

Einigkeit bei Kostenersatz

Parteiübergreifende Einigkeit bestand darin, dass es "eine klare Regelung für Kostenersatz bei Verfahrenseinstellungen und Freisprüchen geben muss", wie SPÖ-Justizsprecher Christian Drobits formulierte. "Es ist eines Rechtsstaates unwürdig, dass freigesprochene Beschuldigte auf hohen Kosten sitzen bleiben", hielt Ministerin Edtstadler fest. Die Mittel für eine Aufstockung des Kostenersatzes sollten nach Dafürhalten der Grünen Justizsprecherin Prammer allerdings nicht aus dem laufenden Justizbudget, sondern in Form eines "Sonderbudgets" finanziert werden. (Sebastian Fellner, APA, 5.6.2023)