Die SPÖ hat einen neuen Parteivorsitzenden. Doch. Wieder einen anderen. Andreas Babler. Bei der Wahl am außerordentlichen Parteitag ist ein Fehler passiert. Die Ergebnisse wurden schlichtweg vertauscht. Draufgekommen ist die Leiterin der Wahlkommission durch einen Zufall, weil eine Stimme übrig blieb, die nicht zugeordnet werden konnte. Es war eine ungültige Stimme, aber das hat mit der Verwechslung des Ergebnisses eigentlich gar nichts zu tun.

Andreas Babler und Hans Peter Doskozil in Linz, als die Welt noch anders aussah.
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Das ist wirklich so unfassbar. Es ist unglaublich, und es ist unglaublich peinlich für die SPÖ. Ein solcher Fehler bei einem so wichtigen Vorgang wie der Wahl des Parteivorsitzenden, das darf eigentlich gar nicht vorkommen, und dennoch ist es passiert. Die SPÖ macht sich zum Gespött, und auch der neue Parteivorsitzende, der seit Montag doch nicht Hans Peter Doskozil, sondern Andreas Babler heißt, muss mit diesem Gespött leben und dieses irgendwie überwinden. Einen schlechteren Start mit einer übleren Nachrede hätte er gar nicht erwischen können, und dennoch ist es nicht seine Schuld.

Doskozil kann jetzt nur eines tun: es nicht schlimmer machen. Er muss das Ergebnis, so schmerzhaft es für ihn ist, akzeptieren. Dass er das jetzt so hinnimmt, spricht erst einmal für ihn.

Für die SPÖ hat sich in den letzten Stunden alles gedreht. Das Wahlergebnis wurde tatsächlich auf den Kopf gestellt. Das bedeutet für die Partei nicht nur, dass sie eine unfassbare Panne ausbaden muss, das bedeutet einen völligen Richtungswechsel, eine gänzlich andere Aufstellung, als mit Doskozil zu erwarten gewesen wäre. Andere Inhalte, anderes Personal, eine andere Strategie, eine andere Art der Kommunikation, die SPÖ ist von einem Tag auf den anderen eine andere geworden.

Auf Andreas Babler, der am Samstag noch gänzlich geknickt war und als Verlierer nach Traiskirchen zurückgekehrt ist, wartet jetzt eine enorme Aufgabe. Er muss ernst genommen werden, was angesichts der Umstände seiner Kür nicht ganz leicht fallen wird.

Größte Aufgabe für Babler

Die größte Aufgabe, die auf Babler wartet, ist aber die gleiche, der sich auch Doskozil hätte stellen müssen: die Aussöhnung in der Partei herbeiführen, die Lager, die einander so erbittert bekämpft haben, wieder zueinanderführen, eine gemeinsame Sprache finden, ein Team aufstellen, das die ganze Breite der Sozialdemokratie widerspiegelt und nicht bloß den ideologisch doch übersehbaren Ausschnitt, den Babler repräsentiert.

Denn Babler steht im Vergleich zu Doskozil deutlich weiter links, er hat andere Inhalte, eine andere Kommunikation, eine andere Haltung. Babler ist viel weniger pragmatisch, er ist kämpferischer, kompromissloser, er trägt seine Ideologie viel deutlicher vor sich her als Doskozil und dessen Lager.

Aus den Verlierern sind Gewinner geworden, aus den Gewinnern die Verlierer. Jetzt liegt es an Babler, demütig zu sein und auf das andere Lager zuzugehen, es liegt an Doskozil, diese Hand anzunehmen und den neuen Parteichef, der leider nicht er ist, zu unterstützen.

Für die politische Großwetterlage hat ich in den letzten Stunden auch einiges geändert: Babler ist derjenige SPÖ-Chef, der vor allem im linken Lager umrühren wird, der die KPÖ auf Distanz hält, der bei den Grünen eine Schneise schlagen wird, der Nichtwähler mobilisieren kann und der auch ein paar FPÖ-Wähler ansprechen kann. Die Lagerbildung in Österreich, die Aufteilung in links und rechts, wird noch deutlicher ausfallen. Ob es Babler auch gelingen kann, die Kräfteverhältnisse so nach links zu verschieben, dass eine Koalition gegen ÖVP und FPÖ möglich ist, wurde zuletzt immer wieder angezweifelt, ausgeschlossen ist es nicht.

Das werden ausgesprochen spannende Zeiten bis zur Nationalratswahl. Wann auch immer die sein wird. Die Parteistrategen vor allem in der ÖVP werden schon überlegen, ob nicht jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, Neuwahlen vom Zaun zu brechen, ehe die SPÖ wieder zur Besinnung und Babler möglicherweise in die Gänge kommt. Ganz neutral und unideologisch formuliert: Babler ist der spannendere Kandidat, er wird das Land in jedem Fall gehörig durcheinanderbringen. Ob die SPÖ dann, "am Ende des Tages", wie es im Politikersprech so schön heißt, auch davon profitieren kann und sogar stärkste Kraft werden kann, wie es ihr Anspruch ist, das ist die Frage, die uns politisch die nächste Zeit im Banne halten wird. (Michael Völker, 5.6.2023)