In seinem Gastkommentar antwortet Schauspieler Cornelius Obonya dem Intendanten der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, der den Protest gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition in Salzburg in einem STANDARD-Interview als "abgenutzten Aktionismus" bezeichnete.

Eine Gruppe Demonstrantinnen und Demonstranten protestiert am 29. Mai gegen die Koalition von ÖVP und FPÖ in Salzburg. Zu sehen ist ein großes Banner mit der Aufschrift
Mehr als 1.200 Menschen demonstrierten am Pfingstmontag in Salzburg gegen Schwarz-Blau. Die neue Landesregierung wird am 14. Juni angelobt.
Foto: APA / Franz Neumayr

Manchmal führt ein Gedanke von bemerkenswerter Schlichtheit zu Folgendem: Wenn eine Partei, die seit Jahrzehnten auf Kosten Schwächerer Populismus betreibt, immer wieder offen rassistische, homophobe und diskriminierende Äußerungen in ihren Reihen zulässt und dann konstant mit einem "Fesche-Burschen-Schmäh" augenzwinkernd über mangelnde Abgrenzung zum Nationalsozialismus in ihren Reihen hinwegparliert, müssen gerade Kunstschaffende ihren Protest äußern dürfen, selbst wenn die etwas müde Gewordenen dabei gähnen.

Berechtigtes Bedürfnis

Ich würde mir wünschen, dass sie die Menschen unterstützten, die diesen Protest äußern. Auch geht es nicht um etwaige Eingriffe in die Programmierung von Festivals oder in Inszenierungen, da hätten sich Carolin Pienkos und ich als Regieteam 2019 im Burgenland schon zu wehren gewusst. Und schon gar nicht um Berührungsängste. Ach Gott, da würden ja weite Teile des Kulturlebens bei den jeweiligen Regierungsbeteiligungen der FPÖ stillstehen.

Nein! Es geht um das berechtigte Bedürfnis, seinen Protest zu äußern, wenn durch die Beteiligung einer rechtspopulistischen Partei an der Regierung, wie sie derzeit in Salzburg stattfindet, ausländerfeindliche Maßnahmen bei der Vergabe von geförderten Mietwohnungen beschlossen werden, wenn durch die Beschneidung der Landesumweltanwaltschaft die ohnehin schon dürftigen Maßnahmen im Land gegen den Klimawandel weiter konterkariert werden, wenn Familienpolitik dem großen Ziel unterstellt wird, dass vor allem Frauen durch Prämien motiviert werden sollen, an den Herd zurückzukehren, oder wenn im Jahr 2023 eine österreichische Landesregierung tatsächlich Maßnahmen gegen Schwangerschaftsabbrüche ergreifen möchte.

Abgenutzter Aktionismus?

All das sind rückwärts gewandte, ewiggestrige Vorhaben, die für heutige und zukünftige Generationen massive Verschlechterungen in der Freiheit ihrer Lebensgestaltung bedeuten.

Protestaktionen dagegen als "abgenutzten Aktionismus" und "Empörungsrituale" zu bezeichnen und dazu aufzurufen, dies als "politische Realität" hinzunehmen (siehe das Interview mit Festspielintendant Markus Hinterhäuser im STANDARD, 2. 6. 2023), zeugt davon, dass man es sich in der Zwischenzeit ziemlich gemütlich gemacht hat. Natürlich kann man immer durch Kunst antworten, und das tut sie auch des Öfteren. Doch manchmal, glaube ich, reicht das nicht. Sollte man nicht manchmal darauf hinweisen, dass der im Saale gut ausgeleuchteten, brav abgesessenen schönen Reden nun genug gehört wurden? Ist es genug, sich als wiederholter Zuhörer dieser Reden – in Etat und Möglichkeiten – in Sicherheit zu wähnen? Wenn Realität und Gesagtes auseinanderklaffen – kann eines von beiden nicht stimmen, nicht? Die Realität kann es nicht sein.

Diese Koalition mag politische Realität sein, aber sie wurde so nicht gewählt, sie wurde von politischem Personal gemacht. Anderes wäre möglich gewesen, so wie in Niederösterreich, ohne Rassisten politisch die Hand zu reichen, aber dafür hätte es viel mehr echter Stärke und ein wenig mehr Arbeit bedurft. Das wäre meiner Meinung nach – hierzulande völlig unübliche – politische Klarheit gewesen. Alles andere ist (spätestens jetzt) der Beginn des Wegsehens.

Solange die freiheitliche Partei weiter mit allen Mitteln die Freiheit jener Menschen, die nicht ihrem Idealbild entsprechen, massiv beschneidet und immer und immer wieder mit Zeichen und Aussagen zu Rassismus und Nationalsozialismus ihre Spielchen spielt, so lange bleibt es schwer, anderen Anliegen der FPÖ Gehör zu schenken, wird die Mehrheit der Künstlerinnen und Künstler in diesem Land leider weiter unbequem bleiben. Wollen? Nein, viele hätten wahrlich Besseres zu tun. Müssen? Ja, denn sonst brauchen wir uns auf keine Bühne mehr zu stellen, um für manchmal teuer Geld aus der Deckung heraus Texte und Melodien von sehr klugen Frauen und Männern zu präsentieren.

Unbequemer Diskurs

Also, bleiben wir doch gemeinsam unbequem – für die FPÖ, für jene, die sie in diese Machtposition gebracht haben, und auch für die, die sich mit der Zeit mit ihnen politisch angefreundet haben. Und sehen wir gemeinsam zu, dass wir jetzt, genau jetzt, mit vielleicht neuen Konstellationen in der Politik, den Wählerinnen und Wählern der FPÖ, die beileibe nicht alle Rassisten sind, etwas anderes, etwas Hoffnungsfrohes in den nächsten Monaten anbieten.

Und im Sinne des aufrichtigen, präzisen und, wenn notwendig, auch harten politischen Diskurses nehme ich die an mich ergangene Einladung zum Gespräch mit der Frau Landeshauptmannstellvertreterin Marlene Svazek an. (Cornelius Obonya, 6.6.2023)