Elena Switolina spielt sich in Paris in die Herzen der Fans.
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Paris - Elena Switolina wollte kein weiteres Öl ins Feuer gießen. "Ich habe die letzten beiden Matches bereits gegen russische Spielerinnen gespielt, also wird es jetzt nicht viel anders", sagte die Ukrainerin vor ihrer Partie gegen Aryna Sabalenka im Viertelfinale der French Open. Die Brisanz ihres Duells mit der Belarussin aber lässt sich nicht so einfach wegmoderieren.

Switolina schreibt gerade eigentlich an einer märchenhaften Comeback-Geschichte. Im Oktober ist sie erstmals Mutter geworden und spielt nun vielleicht das beste Tennis ihres Lebens - am Dienstag liegt der Fokus unweigerlich aber auch auf der Sportpolitik. Denn anders als von IOC-Präsident Thomas Bach unbelehrbar postuliert, ist das Tennis auch dieser Tage in Paris kein leuchtendes Beispiel für das positive Miteinander russischer und belarussischer Athleten mit ukrainischen - und auch keines für die Trennbarkeit von Sport und Politik.

Buhrufe und Gesten

Nahe des Eiffelturms ist das Thema Tag für Tag präsent. Sabalenka, die Weltranglistenzweite und Australian-Open-Siegerin, gibt seit ihrem Zweitrundenmatch mit Verweis auf ihre "mentale Gesundheit" keine Pressekonferenzen mehr. Zuvor hatte sie bohrende Nachfragen unter anderem zu ihren Verbindungen zum belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko unbeantwortet gelassen.

Und die Russin Darja Kassatkina, die sich klar gegen Wladimir Putins Angriffskrieg positioniert hatte, verließ Paris nach Buhrufen des Publikums "mit einem bitteren Gefühl". Dabei hatte sie nach ihrer Niederlage nur Switolinas Verzicht auf einen Handshake respektiert und ihrer siegreichen Gegnerin mit einer anerkennenden Geste gratuliert, was die Fans offenbar nicht erkannten.

Aufgeladene Gemengelage

In der durchaus aufgeladenen Gemengelage kommt es nun also zum Duell zwischen Sabalenka und Switolina, die sich seit Kriegsbeginn für ihre Heimat stark macht. Beim WTA-Turnier in Charleston veranstaltete sie einen Schaukampf und spendete den Erlös anschließend ebenso an ukrainische Kinder wie nach ihrem Turniersieg in Straßburg das Preisgeld. "Es ist sehr wichtig, den Menschen auch weiterhin zu helfen. Kinder sind unsere Zukunft, und es ist eine harte Zeit", sagte Switolina im Tennischannel.

Im Februar traf sie den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und sprach sich dort klar gegen die durch das IOC vorangetriebene Wiedereingliederung russischer und belarussischer Athleten in den Olympischen Sport aus. "Es wäre traurig und die falsche Entscheidung, sie unter neutraler Flagge starten zu lassen", sagte Switolina, die auch einige Tennisspielerinnen für ihre (fehlende) Haltung zur russischen Invasion kritisierte.

"Wut, Trauer, Schwere"

Der Krieg in ihrem Heimatland ist für sie in Roland Garros allgegenwärtig. "Ich empfinde oft einen Mix aus verschiedenen, schlechten Gefühlen. Da ist Wut, Trauer, Schwere. Diese Schwere, die alle Ukrainer täglich empfinden", sagte sie.

Und doch: Die 28-Jährige erlebt derzeit auch die schönen Seiten des Lebens. Nach der Geburt von Töchterchen Skai im Oktober klettert Switolina derzeit im Rekordtempo zurück in die Weltspitze. Die Herzen der französischen Fans, die sie nicht erst nach dem Aus von Ehemann Gael Monfils bedingungslos unterstützen, hat sie bereits erobert. Sie fühle sich wie die "letzte verbliebene Französin im Turnier", sagte Switolina vor ihrem brisanten Viertelfinale. (sid, 5.6.2023)