Der US-Sondergesandte für den Westbalkan, Gabriel Escobar, macht Druck auf den Kosovo.
AP/Darko Vojinovic

Belgrad/Prishtina – Die USA machen Druck auf den Kosovo, rasch einen Vorschlag zur Bildung eines serbischen Gemeindeverbands vorzulegen. "Der Kosovo muss sich sofort bewegen", forderte der US-Sondergesandten für den Westbalkan, Gabriel Escobar, in einem Interview mit der "Presse" vom Dienstag. Serbien wiederum müsse eine klare Botschaft senden, dass Gewalt nicht toleriert werde – weder gegen die Friedenstruppe Kfor noch gegen die kosovarische Polizei, so der US-Unterstaatssekretär.

"Jetzt müssen sie uns sagen, was sie wollen"

Die Gründung eines serbischen Gemeindeverbands im Kosovo sei eine internationale, rechtlich verpflichtende Zusage, sagte Escobar und meinte zum Widerstand des kosovarischen Regierungschefs Albin Kurti: "Das hängt nicht von ihm ab. Das ist keine Angelegenheit zwischen Kurti und Serbien. Das ist eine Angelegenheit zwischen der Republik Kosovo und der Republik Serbien. Selbst wenn Kurti es nicht will, dieser Gemeindeverband wird kommen. Die Frage ist: Will der Kosovo auf die euroatlantische Integration warten, bis sein Premier seine rechtlichen Verpflichtungen erfüllt?"

Wenn der Kosovo keine neue Serbische Republik wie in Bosnien wolle, müsse er eine Vorstellung davon geben, was er wolle. "Sie haben uns gesagt, was sie nicht wollen. Jetzt müssen sie uns sagen, was sie wollen. Darauf warten wir", so der US-Sondergesandte. Der Unwille in Prishtina, sich in der Frage zu bewegen, zeige aus Sicht der USA "den Unwillen, sich um Versöhnung im eigenen Land zu bemühen", kritisierte Escobar: "Unsere Botschaft an den Kosovo und an Serbien ist: Solang beide Seiten wichtige Zusagen aus dem Normalisierungsabkommen nicht umsetzen, ist nicht die Zeit für business as usual".

Die USA hatten als Reaktion auf die heftigen Zusammenstößen im Norden des Kosovo wegen der Einsetzung von ethnisch-albanischen Bürgermeistern den Kosovo von einer Militärübung ausgeschlossen. Bei Protesten in der Stadt Zvecan im Norden des Kosovo war es vor einer Woche zu Angriffen auf Kfor-Soldaten gekommen, die sich serbischen Demonstrierenden entgegengestellt hatten, welche die Stadtverwaltung stürmen wollten. 30 der Soldaten wurden verletzt. Auch 52 Protestteilnehmer wurden verletzt. Die USA und die EU verurteilten die Gewalt scharf, die Nato kündigte als Reaktion eine Verstärkung der Kfor an.

Nato-Verstärkungen eingetroffen

Am Montag sind erste Soldaten zur Verstärkung der internationalen Truppe vor Ort eingetroffen. Die Verstärkung besteht zum Großteil aus rund 500 türkischen Soldaten, die "so lange wie nötig im Kosovo eingesetzt" sein werden, wie die Nato mitteilte. Ein weiteres multinationales Bataillon ist bei Bedarf zur Verlegung einsatzbereit.

Das 1,8-Millionen-Einwohner-Land Kosovo mit seiner mehrheitlich ethnisch albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von Belgrad bis heute als serbische Provinz betrachtet. Rund 120.000 Serben leben im Kosovo, vor allem im Norden. Auch andere Länder, darunter Serbiens Verbündete China und Russland, erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an.

Die von der Nato geführte Kfor-Mission sorgt seit dem Ende des Kosovo-Kriegs 1999 für Sicherheit im Kosovo. Sie umfasst rund 3.800 Einsatzkräfte aus 27 Ländern. Nach den Vorfällen der vergangenen Woche hatte die Nato die Entsendung zusätzlicher 700 Soldaten angekündigt. (APA, red, 5.6.2023)