Die russische Flagge weht vor dem Eingang zum Staudamm und Wasserkraftwerk von Kachowka.
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Diese vom ukrainischen Präsidialbüro zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt den Durchbruch des Wassers.
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Es werden weitläufige Überflutungen befürchtet, Einwohnerinnen und Einwohner der Gegend evakuiert.
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Krisensitzung mit hohen Beamten zur Zerstörung des Damms.
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Mittlerweile gibt es erste Bilder von Überschwemmungen in der Region Cherson.
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Überflutungen im Zentrum der nahegelegenen Kleinstadt Nowa Kachowka.
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Dieses Bild zeigt den Damm Ende Mai. Das Wasser aus dem Reservoir versorgt die Halbinsel Krim und auch das Atomkraftwerk Saporischschja.
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Ein Satellitenbild des intakten Damms.
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Ein russischer Soldat am Nord-Krim-Kanal, der aus dem Reservoir des Staudamms in Kachowka gespeist wird.
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Einwohnerinnen und Einwohner der Gegenden flussabwärts hatten sich seit einigen Wochen über die "chaotische Kontrolle" des Dammes durch russische Truppen beschwert. Hier zu sehen: Eine Überschwemmung, die daraus resultiert haben soll.
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Russische Soldaten bewachen den Eingang zum Wasserkraftwerk.
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Moskau – Der Kachowka-Staudamm im russisch kontrollierten Teil der südukrainischen Region Cherson ist am Dienstag zerstört worden. Die Ukraine warf Russland eine Sprengung des Dammes vor, die russische Seite sprach von Artilleriebeschuss. Nach Angaben beider Seiten waren zehntausende Bewohner des Gebietes in Gefahr, Evakuierungen liefen an. Das Wasserkraftwerk sei völlig zerstört worden, bestätigten die Behörden beider Kriegsparteien.

Der Staudamm ist der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge auf der Hälfte seiner Länge zerstört. Das Bauwerk stürze weiter ein, meldete die staatliche Agentur unter Berufung auf Rettungsdienste. Der Wasserstand in Nowa Kachowka stieg örtlichen Behörden zufolge um mehr als zehn Meter an. Das meldete Tass unter Berufung auf die von Russland eingesetzte Verwaltung in dem besetzten Ort. Nowa Kachowka ist der Teil der Stadt Kachowka, der direkt am Staudamm liegt. Kachowka selbst liegt weiter östlich.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte die Zerstörung des Dammes als einen weiteren Beleg dafür, dass Russland aus dem "letzten Winkel" der Ukraine vertrieben werden müsse. "Die Terroristen werden es nicht schaffen, die Ukraine mit Wasser, Raketen oder sonst etwas aufzuhalten", schrieb er auf Twitter.

Selenskyj berief eine Notfall-Sitzung des nationalen Sicherheitsrats ein. Das teilte der Sekretär des Rats, Olexij Danilow, am Dienstag früh auf Twitter mit. Selenskyjs Berater Andrij Jermak bezeichnete die Zerstörung des Kachowka-Staudammes als "Ökozid" und machte dafür Russland verantwortlich.

Russischen Behördenangaben zufolge waren 22.000 Menschen von Überschwemmungen in dem von Russland besetzten Gebiet bedroht. Das meldet die Agentur RIA unter Berufung auf die von Russland installierte Verwaltung in den besetzten Teilen der ukrainischen Oblast Cherson. Die Menschen lebten in 14 Ortschaften im Süden der Oblast Cherson. Die ukrainische Seite sprach von 16.000 Menschen in der "kritischen Zone" am unter Kontrolle der Ukraine stehenden rechten Ufer des Flusses Dnjepr. Demnach seien 80 Ortschaften von Überschwemmungen bedroht.

Explosion im Maschinenhaus

Das Kachowka-Wasserkraftwerk war nach Angaben der staatlichen ukrainischen Wasserkraftunternehmens Ukrhydroenerho nach einer "Explosion" im Maschinenhaus "vollkommen zerstört" worden. Der von Russland installierte Bürgermeister von Nowa Kachowka, Wladimir Leontew, bestätigte, dass sich der Staudamm vermutlich nicht mehr reparieren lasse.

Er widersprach laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Berichten über eine Sprengung des Staudamms durch russische Truppen. Leontew berichtete von Schäden durch ukrainischen Artilleriebeschuss. In Nowa Kachowka seien demnach bereits rund 300 Häuser evakuiert worden. Ein Teil der Stadt sei aus Sicherheitsgründen von der Stromversorgung abgeschnitten worden. Der Wasserstand rund um den zerstörten Kachowka-Staudamm ist RIA zufolge bereits um fünf Meter gestiegen. Mehrere flussabwärts gelegene Inseln seien inzwischen völlig überflutet, meldet RIA unter Berufung auf örtliche Behörden.

Keine Gefahr für Atomkraftwerk

Das Reservoir versorgt die von Russland 2014 annektierte Halbinsel Krim mit Wasser, wie auch das besetzte AKW Saporischschja. Für dieses besteht nach russischer Darstellung keine unmittelbare Gefahr, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf einen von Russland eingesetzten Verwaltungsvertreter im besetzten Gebiet berichtete. Demnach bestehe auch keine Gefahr, dass der Kanal auf die Krim austrocknet.

Auch nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) besteht für das Atomkraftwerk keine direkte Gefahr. Experten der IAEA beobachteten die Lage, twitterte die in Wien ansässige Behörde am Dienstag. Die ukrainische Enerhoatom schätzt die Gefahrenlage hingegen genau gegenteilig ein. Die Lage in dem AKW sei aber gegenwärtig unter Kontrolle, teilt Enerhoatom auf Telegram mit.

Das AKW Saporischschja ist das größte in Europa und steht seit längerem unter Kontrolle des russischen Militärs. Betrieben wird das Kraftwerk, das in der Nähe des Kachowka-Stausees liegt, aber weiterhin von ukrainischem Personal. "Wasser aus dem Kachowka-Stausee ist notwendig, damit die Anlage Strom für die Turbinenkondensatoren und Sicherheitssysteme des Kernkraftwerks erhält", erklärt Enerhoatom. "Derzeit ist das Kühlbecken der Anlage voll: Um 08.00 Uhr beträgt der Wasserstand 16,6 Meter, was für den Bedarf der Anlage ausreicht."

Der 30 Meter hohe und 3,2 Kilometer lange Damm wurde 1956 als Teil des Wasserkraftwerks Kachowka errichtet. Der Stausee fasst rund 18 Milliarden Kubikmeter Wasser bei einer Fläche von knapp 2.200 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Das Bundesland Vorarlberg hat eine Fläche von 2.600 Quadratkilometern. Weitläufige Überschwemmungen werden nun befürchtet. Laut Medienberichten wurde mit Evakuierungen im Gebiet begonnen. Das Wasser werde binnen fünf Stunden kritisches Niveau erreichen, schrieb der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, auf Telegram. (APA, red, 6.6.2023)