Noel Gallagher hat mit "Council Skies" ein ziemlich gutes Album veröffentlicht.
Joel C Ryan/Invision/AP

Einen Schaukelstuhl, bitte. So ein Rockin' Chair, wie so ein Sessel auf Kufen im Englischen heißt, kommt einem in den Sinn, wenn man dem neuen Album von Noel Gallagher lauscht. Noel Gallagher, man erinnert sich, das war der Mann von Oasis, der zweite Großkotz neben seinem diesbezüglich noch auffälligeren Bruder Liam.

Wobei Noel im Unterschied zu seinem nur gelangweilt ins Mikro nölendem Bruder, die Musik dieser bombastisch erfolgreichen Brit-Pop-Band geschrieben hat. Und zwar mit beiden Beinen und hüfthoch in der Beatles-Erbmasse stehend – ohne Gummistiefel. Oasis sind längst Geschichte, die beiden Brüder biblisch zerstritten, beide betreiben erfolgreiche Solokarrieren.

Noel Gallagher ist 56 und mittlerweile so etwas wie ein Elder Statesman des Inselpop. Was ihm an Prolligem geblieben ist, lässt sich längst als spezieller Charme bezeichnen. Er gibt launige Interviews, in die Arroganz der frühen Jahre mischt sich schon lange die Einsicht der eigenen Unzulänglichkeiten, die ihm nicht zuletzt von seinen Kindern vorgeführt werden. Er scheint daran gewachsen zu sein.

Keine Heuschrecken

So ähnlich verhält es sich mit seinem neuen Album. Gallagher ist als Noel Gallagher’s High Flying Birds unterwegs, eben hat er das Album Council Skies veröffentlicht, eine Schaukelstuhlplatte. Und zwar einerseits im US-amerikanischen Veranda-Klischee, nachdem da jemand zur untergehenden Sonne ins weite Nichts schaut, hofft, dass die Heuschrecken heuer nicht kommen und sich dazu gemütlich zwei Daumen dick Bourbon nachschenkt. Howdy.

Andererseits im Rockin'-Chair-Sinne. Denn das Album rockt durchaus, aber so, dass man nicht unbedingt gleich den Allerwertesten hoch und auf die Party kriegen muss. Es reicht, mit etwas Gewichtsverlagerung den Sessel in Bewegung zu versetzen. Denn Gallagher kleistert. Und zwar mit Streichern. Bitter Sweet Symphony, wie Insider des Brit-Pop sagen.

Noel Gallagher's High Flying Birds - Council Skies (Official Video)
Noel Gallagher

So hieß ein Hit von The Verve, Konkurrenten von Oasis und Fans von Streichern und der Opulenz des Phil Spector. In diese Richtung schielt Gallaghers Album ebenfalls, aber nur im Handtaschenformat. Das Album verweilt über weite Strecken im Midtempo, der Mann muss sich und der Welt nichts mehr beweisen.

Aus dieser Ausgeschlafenheit, die eine Unterstellung ist, denn natürlich nagt an Gallagher schon wegen seines Bruders der Ehrgeiz, schüttelt er scheinbar ohne größere Anstrengung Songperlen aus dem Ärmel. Open The Door, See What You Find klingt ein wenig nach Julian Cope zurzeit seines Opus magnum World Shut Your Mouth. Ein Titel, der genauso gut über Gallaghers Autobiografie stehen könnte.

Noel Gallagher's High Flying Birds - I'm Not Giving Up Tonight (Official Visualiser)
Noel Gallagher

Mit einem sich nur langsam aufraffenden Song wie Trying To Find A World That's Been and Gone Pt 1 gibt er sich melancholisch, quasi das ultimative Offenbarungsmoment des Zynikers. Das bedeutet nicht automatisch einen guten Song, aber dieses Innehalten steht dem Album gut an, lässt Gallagher durchatmen, um einem Titel wie dem gleich darauf folgenden Easy Now wieder jene Leichtigkeit zuzuführen, die das Lied behauptet, fordert und einlöst.

Das Album hat sich an der Stelle längst im Milieu der Gassenhauer eingenistet. Mitsingtaugliche Songs für die Massen, die Gallagher mit Oasis schon um den kleinen Finger gewickelt hat. Doch schon lange scheint ihm das nicht so locker von der Hand gegangen zu sein wie auf Council Skies. Dem Album wie dem Titelsong, der wirklich toll ist – und schon wieder an Julian Cope erinnert. Irgendwie hängt immer alles zusammen. (Karl Fluch, 7.6.2023)