Obwohl Barbara und Sebastian "sehr wärmeliebend" sind, merkten sie irgendwann: Die Sommer in ihrer Wohnung in Linz werden immer wärmer, an manchen Tagen ist es in der Stadt kaum noch auszuhalten. Sie wollten weg, zumindest zeitweise. Irgendwohin, wo es keine Betonwüste gibt und die Nächte noch Abkühlung bieten. Vor fünf Jahren hat sich das Paar ein Haus im Waldviertel gebaut, auf 800 Meter Seehöhe. "Für uns ist es ein Fluchtort", erzählt Sebastian, Ende 30, bei einem Videotelefonat. "Die Temperaturen sind dort okay."

Klimaflucht ist nicht mehr nur ein Phänomen des globalen Südens, wo Menschen wegen anhaltender Dürren oder verheerender Naturkatastrophen ihre Region verlassen. Es gibt immer mehr Menschen, die sich überlegen, ob sie aus freien Stücken auswandern sollen. Sie fragen sich: Wird es da, wo ich wohne, in ein paar Jahrzehnten noch lebenswert sein? Städter zieht es aufs Land, weil sie es im Sommer in ihren Dachwohnungen nicht mehr aushalten. Familien überlegen sich, nach Schweden auszuwandern oder sich ein Haus in Norwegen zu kaufen. Beiträge dazu finden sich in den sozialen Medien zuhauf.

Ein Plan B für die Zukunft

In einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank rechnet rund ein Viertel der befragten Europäerinnen und Europäer damit, dass sie selbst wegen des Klimawandels künftig auswandern müssen, in eine kältere Region oder gar in ein kälteres Land. Unter den Jüngeren ist dieser Anteil noch deutlich höher, wobei er je nach Land variiert.

Auch in unseren Breiten gibt es sie, die Sehnsucht nach einem sicheren Ort in der Klimakrise. Für einige ist das Schweden.
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In den USA entscheide sich eine wachsende Zahl von Menschen angesichts immer schlimmerer Waldbrände und Fluten dafür, in sichere Gebieten wie Neuengland oder die Appalachen zu ziehen, berichtet das Magazin Yale E360. Forschende prognostizieren, dass diese Migrationsbewegungen in den kommenden Jahren zunehmen werden.

Es gebe zwei Arten, auf eine bedrohliche Weltlage zu reagieren: "Fight or flight", schreibt die Journalistin Ruth Fend in der deutschen Zeit. Tatsächlich würden sich die meisten mehr damit beschäftigen, die eigene Haut zu retten, anstatt sich für den Klimaschutz zu engagieren, meint Fend, die überlegt, ihr Erspartes in ein Ferienhaus zu investieren, in dem sie vor der Hitze sicher ist.

Nicht nur flüchten

Dass sie es vorziehen, vor der Klimakrise zu fliehen, anstatt dagegen anzukämpfen, trifft auf Barbara und Sebastian so nicht zu. Sie kämpfen auch. Unter anderem, indem sie ein Leben mit einem möglichst niedrigen ökologischen Fußabdruck versuchen. Sie ernähren sich vegan, Sebastian war eine Zeitlang auch politisch aktiv. Ihr Ziel: "Unser Leben so ausrichten, dass wir gut leben können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben."

Vor ein paar Jahren trafen sie zudem eine bewusste Entscheidung gegen Kinder. Für sie ist die Zukunft zu ungewiss, zu schwer vorherzusehen, um einen neuen Menschen in die Welt zu setzen.

Barbara und Sebastian haben sich ein Haus im Waldviertel gebaut, wo sie sich vor großer Hitze sicher fühlen.
privat

Damit ihr Haus auch in einigen Jahren nicht zum Hitzepool wird, haben Barbara und Sebastian vorgesorgt. Das Dach ist zum Teil begrünt, rundherum gibt es einen Staudengarten mit einer Zone, in der die Pflanzen wild wachsen können. "Für das Mikroklima rund ums Haus macht es einen riesengroßen Unterschied, ob du wild wachsende Bäume und Sträucher hast oder eine Graswüste", sagt Sebastian. Auch einen Teich haben sie angelegt.

Designt hat das Haus Barbara, mit einem befreundeten Architekten setzen sie den Plan um. Das Holzhaus ist nach Süden hin verglast, wodurch das Paar im Winter kaum heizen muss. Dass es nur mit dem Auto erreichbar ist, ist ein Wermutstropfen.

Irgendwann ganz umziehen

Einen Teil der Woche verbringt das Paar nun in einer Wohnung in Linz. "Wir haben uns von 100 Quadratmetern auf 50 Quadratmeter reduziert." Donnerstags geht es ins Haus im Waldviertel. Sollte es in Linz weiter heißer werden, zu heiß, um es dort noch auszuhalten, kann sich das Paar auch vorstellen, irgendwann noch mehr Zeit an seinem Fluchtort zu verbringen. Beide können ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen. Barbara arbeitet in der HR-Abteilung eines Konzerns, Sebastian bei einer Bank.

Dass sie im Vorteil sind gegenüber jenen Menschen, die aus purer Not vor dem Klima flüchten müssen, ist den beiden bewusst: "Ich fühle mich sehr privilegiert. Ich kann es mir aussuchen, ob ich in Österreich leben möchte oder sonst wo", sagt Sebastian. Wobei die große Frage bleibt: Wo ist in Zukunft ein sicherer Ort? Das ist selbst für Expertinnen und Experten schwer vorherzusagen.

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Wer es sich leisten kann

Dort wollte sich auch Peter Thiel, Milliardär und Chef von Sebastian Kurz, eine Luxusresidenz bauen lassen. Er gilt als Teil einer Kohorte Superreicher, die sich in dem Inselstaat mit prunkvollen Anwesen auf eine mögliche Apokalypse vorbereiten möchten. Doch auch in Österreich wird ein Edelresort für Menschen mit Geld gebaut, die vor dem Weltuntergang flüchten möchten. In den Kitzbüheler Alpen sollen bis Anfang 2025 zehn Villen und 30 Apartments entstehen. Das Projekt Six Senses ist sehr umstritten – zumal es genau jene anspricht, die zu einem wesentlichen Teil zum Klimawandel beitragen. 

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