Karl Stoss ÖOC
Bewegte Zeiten für ÖOC-Präsident Karl Stoss und Generalsekretär Peter Mennel (links).
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – "Die Türen sind offen." Also sprach Karl Stoss, der Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC). Danach, dass er selbst das Gespräch mit seinen Kritikern suchen will, klingt das nicht unbedingt, nach totaler Gesprächsverweigerung aber auch nicht. Die Kritiker wiederum erklären, durchaus mit Stoss reden zu wollen. Und so scheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass die zerstrittenen Lager im heimischen Sport doch noch auf einen grünen Zweig kommen. Die Alternative wäre, dass Stoss und der ÖOC-Vorstand nach einer Sitzung am 14. Juni einen neuen Wahlausschuss präsentieren, der einen neuen Wahlvorschlag ausarbeiten soll. Mit dieser Alternative ginge freilich einher, dass die Stoss-Gegner in einer außerordentlichen Hauptversammlung spätestens Anfang Juli dafür sorgen, dass im ÖOC erst so richtig die Fetzen zu fliegen beginnen.

Stoss hatte die Gräben in der heimischen Sportlandschaft noch vertieft, als der ÖOC-Vorstand einem von ihm selbst eingesetzten Wahlausschuss das Misstrauen aussprach, weil dessen Wahlvorschlag dem Präsidenten nicht gepasst hat. Der Wahlausschuss betonte, er habe zwischen seit Jahren zerstrittenen Sportlagern eine Brücke bauen wollen und alle einbezogen. Stoss allerdings sah sich selbst nicht wirklich oder eigentlich gar nicht eingebunden, sondern mit dem Wahlvorschlag vor vollendete Tatsachen gestellt. "An meinem Sessel kleben tu ich zuallerletzt", betonte er. "Ich weiß mir mit meiner Zeit etwas Besseres anzufangen. Und  ich bleibe so oder so im IOC, weil ich dort ein persönliches Mandat habe." Doch dass er sich seine drei (Vize)-Kolleginnen oder Kollegen im Präsidium zumindest zu einem (guten) Teil selbst aussuchen und "nach 14 Jahren im Amt weiterhin mit Personen meines Vertrauens zusammenarbeiten will", mag sich Stoss nicht vorwerfen lassen. 

Das erscheint bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar, wirft aber die Frage auf, ob Stoss den ihm vorgeschlagenen Präsidiumsmitgliedern nicht vertrauen würde. Dabei handelte es sich um Ski-Austria-Präsidentin Roswitha Stadlober sowie Sonja Spendelhofer, die Präsidentin des Leichtathletikverbands, und Thomas Reichenauer, den Präsidenten des Ringerverbands. Stoss macht kein Hehl daraus, dass er lieber auch weiterhin die Dressur-Olympiasiegerin von 1980, Elisabeth Max-Theurer, an seiner Seite wissen würde. Max-Theurer ist seit 2005 ÖOC-Vorstandsmitglied, seit 2012 Vizepräsidentin. Die nun anstehende Vorstandsperiode wird nur zwei Jahre lang dauern, weil die jüngste schon sechs Jahre lang dauert. Im nach Erneuerung und Verjüngung strebenden Wahlausschuss fragte man sich also, ob es Max-Theurer wirklich auf zwei Jahre mehr oder weniger ankommt. Stoss hebt die Verdienste Max-Theurers hervor und fragt quasi zurück.

"Infame Unterstellung"

Äußerst vehement trat der ÖOC-Präsident einem Gerücht entgegen, er habe sich in seiner Amtszeit in irgendeiner Form bereichert. Das Gerücht laute, "dass ich Provisionen kassiert habe von den Lotterien. Das ist eine infame Unterstellung. Es ist alles ehrenamtlich, was ich hier mache." Dafür gebe es auch eine schriftliche Bestätigung der Lotterien wie der Casinos AG. Im Übrigen habe ihm das ÖOC mit einer einzigen Ausnahme, als er für mehrere Termin anreiste, auch keine Flüge bezahlt, die bezahle er sich entweder selbst, oder das IOC komme dafür auf. Stoss hat seinen Lebensmittelpunkt seit Jahren in Thailand.

Dennoch tauchen ganz aktuell auch neue Fragen auf, die das ÖOC beschäftigen könnten. Bei einer Sporthilfe-Vorstandssitzung an diesem Dienstag soll dem Vernehmen nach behandelt werden, dass die Sporthilfe-Anteile an der Gesellschaft "I believe in you" für angeblich einen einzigen Euro ans ÖOC übergehen. "I believe in you", das ist jene Crowdfunding-Plattform für Sportprojekte, die nach Schweizer Vorbild 2014 auch in Österreich an den Start, also online ging. Stoss schwärmte damals regelrecht: "Damit können wir Zugang zu bisher nicht erschlossenen privaten Mitteln verschaffen."

Geldflüsse und Fragen

Das mag da und dort gelungen sein. In diverse Sportprojekte freilich bei weitem nicht nur olympischer Sportarten flossen im Lauf der Jahre ungefähr zwei Millionen Euro. Andererseits hatte die "I believe in you Österreich GmbH", wie der STANDARD 2019 berichtete, schon in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens einen Bilanzverlust von mehr als 700.000 Euro zu verbuchen, der vor allem auf hohe Personalkosten zurückzuführen war. Mit Jahresende 2021 betrug das negative Eigenkapital noch etwas mehr als 575.000 Euro. Teilhaber an der IBIY-GmbH sind (noch) mit jeweils einem Drittel das ÖOC, die Sporthilfe und die Schweizer IBIY-"Mutter". Geschäftsführer der österreichischen IBIY-GmbH ist Peter Mennel, der gleichzeitig auch ÖOC-Generalsekretär ist. 

Wieso das ÖOC nun die Sporthilfe-Anteile an "I believe in you" übernehmen will, ist eine der Fragen, die auf Mennel und auch auf ÖOC-Präsident Stoss möglicherweise noch zukommen werden. Wieso die IBIY-Personalkosten in den ersten Jahren so hoch gewesen sind, ist eine andere. Wollte oder will das ÖOC als Drittelanteilshaber wirklich quasi solo das gesamte "Minus" decken? Hätte es dazu einen ÖOC-Vorstands- oder zumindest -Präsidiumsbeschluss gegeben? Und aus welcher Quelle wäre dieses Geld gekommen, und wohin hätte es eigentlich sonst fließen können? (Fritz Neumann, 6.6.2023)