Reiner Wandler aus Madrid

Nicht zu haltende Versprechen führten im westspanischen Salamanca zu Gewalt. Dort stürmten Montagnachmittag aufgebrachte Viehzüchter mit Knüppeln und Absperrgittern bewaffnet den Sitz der Vertretung der Regionalregierung. Elf Polizisten und ein Demonstrant wurden verletzt.

Die Viehzüchter wollen – entgegen allen Verbraucherschutzgesetzen –, dass die Kontrolle ihrer Rinder und die Fleischbeschau im Schlachthof weiterhin gelockert bleibt. Und das, obwohl oder gerade weil die Rindertuberkulose in der flächenmäßig größten autonomen Region – einer Art Bundesland – Spaniens, Castilla y León, ausgebrochen ist. Die Regionalregierung, eine Koalition aus dem rechten Partido Popular (PP) und der rechtsextremen Vox, hatte eine solche Lockerung am 15. Mai angeordnet.

Spanien Rindertuberkulose
In Spanien ist die Rindertuberkulose ausgebrochen.
AP/Michael Probst

Die Anwälte der Madrider Zentralregierung gingen daraufhin vor Gericht. Es handle sich um einen Verstoß gegen spanische und europäischen Richtlinien für hochansteckende Tierseuchen, lautete die Begründung. Das Oberste Gericht der Region stoppte am Montag den Erlass. Das Landwirtschaftsministerium ordnete an, dass Fleisch und Tiere aus Castilla y León nur noch eingeschränkt in andere Regionen verbracht werden dürfen.

Vom Rind auf den Menschen übertragbar

Rindertuberkulose ist anzeigepflichtig. Befallene Tiere müssen gekeult werden. Das Fleisch darf auf keinen Fall in den Handel kommen, denn Rindertuberkulose ist eine ansteckende, durch Bakterien verursachte Infektionskrankheit, die meist die Atemwege befällt. Rindertuberkulose ist vom Rind auf den Menschen übertragbar – aber auch umgekehrt. 2021 starben weltweit 1,6 Millionen Menschen an Tuberkulose. Wie viele davon sich bei Rindern ansteckten, ist nicht klar. 

In Europa ist die Tuberkulose beim Rind und auch beim Menschen weitgehend ausgemerzt. Rindertuberkulose und damit die Ansteckung von Menschen, die dann wiederum per Tröpfcheninfektion weitere Menschen anstecken, könnten dies allerdings schnell ändern.

Die Regionalregierung akzeptierte den Spruch der Richter, wettert aber seither gegen die Linkskoalition in Madrid unter dem Sozialisten Pedro Sánchez, der sich Mitte Juli der Wiederwahl stellt. "Wir verlangen, dass die Einschränkungen seitens des Landwirtschaftsministeriums so schnell wie möglich aufgehoben werden", erklärte ein Sprecher der Regionalregierung Castilla y León.

"Wir haben eine der Regionen mit der höchsten Rinderproduktion in ganz Spanien. Die Viehzüchter befinden sich in einer kritischen Situation, nicht nur wegen der Dürre, sondern auch wegen des Kriegs in der Ukraine und der Inflation. Der Anstieg der Fixkosten erdrückt die Landwirte, und die ganzen gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften machen es ihnen nicht leicht", verteidigt der rechtsextreme Vizepräsident der Regionalregierung Juan García-Gallardo den Verstoß gegen EU-Normen.

Entlassung gefordert

Die Viehzüchter, die fast zeitgleich zur Sitzung des Gerichts protestierten, werfen PP und Vox dennoch einen Kniefall vor Madrid vor. Sie unterstützten lautstark den Aufruf des Viehzuchtverbands nach der "sofortigen Entlassung der Verantwortlichen des tierärztlichen Dienstes der Region", so der Aufruf.

Die tierärztliche Kammer von Castilla y León stellt sich ebenso wie die großen Gewerkschaften Spaniens hinter die Beamten des Veterinäramts. In vielen Dörfern seien Tierärzte, die ihre Arbeit ernst nehmen, "anhaltenden Angriffen und persönlichen Drohungen durch Landwirte ausgesetzt", heißt es in einer Stellungnahme. Der Tierarztverband hatte sich von Anfang an gegen die Lockerung der Tuberkulosekontrolle gestellt. (Reiner Wandler aus Madrid, 6.6.2023)