Ein Flugzeug startet in den Morgenhimmel
Der Sonne entgegen. Die Reiselust ist zurück. Nach der Pandemie zieht es viele Urlauber wieder an ferne Orte. Airlines profitieren davon allerdings mehr als Hotels.
IMAGO/Arnulf Hettrich

Fluglinien und Hotelbetreiber wurden von der Corona-Pandemie besonders rasch und hart getroffen. Trotz Inflation und gestiegener Ungewissheit ist die Reiselust nun aber wieder groß. Viele Menschen gönnen sich wieder Urlaub, wollen Reisen nachholen. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Nach Angaben der International Air Transport Association (IATA) stieg der weltweite Flugverkehr im März im Vergleich zum Vorjahr um 52,4 Prozent. Das Wachstum des Flugverkehrs im asiatisch-pazifischen Raum war mit 159 Prozent besonders stark. In Europa hat der Flugverkehr um 37 Prozent zugelegt, in Nordamerika – wo Corona-Maßnahmen schneller ausgelaufen sind – betrug das Wachstum 17 Prozent.

Dieses Wachstum sollte sich auch fortsetzen. Eine aktuelle IATA-Umfrage ergibt, dass 79 Prozent der Urlauber eine Reise zwischen Juni und August planen. Die im Bericht vom 16. Mai veröffentlichten Terminbuchungen zeigen ein künftiges Reisewachstum von 135 Prozent im Asien-Pazifik-Raum, 40 Prozent Wachstum in Europa und 14 Prozent in Nordamerika. Weltweit liegt der Flugverkehr aber erst bei 88 Prozent des Niveaus vom März 2019. Dies deutet auf Raum für weiteres Wachstum hin. Dieser Punkt wird von Airline-Chefs auch immer betont. Denn billig sind die Flugtickets aktuelle nicht. Doch trotz Teuerung sind die Leute bereit, mehr für die Tickets auszugeben. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass die ein oder andere Fluglinie ihr Angebot noch nicht ausbaut. Da der Flugverkehr stark zunimmt, machen Kapazitätsbeschränkungen das Fernweh nach der Pandemie für Fluggesellschaften noch lukrativer. 

Aktien von Fluglinien profitieren

Leicht ist das Geschäft für die Airlines aber nicht. Die US-Fluglinie Delta Air Lines etwa meldete kürzlich zwar, dass die Passagiereinnahmen im ersten Quartal um 50 Prozent höher waren als im ersten Quartal 2019, während die Flugkapazität unverändert blieb. Steigende Kosten haben aber das Gewinnwachstum gebremst. Doch die Sommerbuchungen sind stark und die Kostenlage soll sich in der zweiten Hälfte verbessern. Die Aktien von Fluglinien haben sich nach der Pandemie aber erholt. Die Papiere der Billigflieger Ryanair und Easyjet etwa sind heuer bereits um mehr als 40 Prozent gestiegen. 

"Nach den starken Anstiegen der Aktien der US-Fluglinien stellt sich die Frage, wie viel Kerosin da noch im Tank ist", sagt Monika Rosen, Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. Gemeint ist damit, wie viel Kurspotenzial in den Aktien noch steckt. Auf den Airlines haftet nämlich auch das Flugchaos vom vergangenen Sommer. Tausende Reisende mussten Verspätungen und Ausfälle hinnehmen. Zu massiven Problemen kam es auch mit dem Gepäck, das den Urlaubsort oft erst verspätet erreichte. Die vielen Streitigkeiten zwischen Reisenden und Fluggesellschaften auf der ganzen Welt haben zu Forderungen nach Entschädigung der Passagiere geführt.

Koffer stehen am Flughafen - Reisechaos
Im vergangenen Sommer kam es bei vielen Flügen zu einem Chaos. Flüge verspäteten sich, fielen aus, und das Gepäck kam auch nicht immer mit.
IMAGO/HEN-FOTO

In Kanada wird die Gesetzgebung derzeit überprüft, während die US-Regierung neue Regeln schreibt und die Europäische Union auf eine stärkere Durchsetzung ihrer bestehenden "Verordnung 261" drängt, die eine Entschädigung bei Verspätungen von mehr als drei Stunden vorschreibt. Je mehr Kosten den Fluggesellschaften aufgrund von Problemen entstehen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, desto mehr wird sich dies in den Ticketpreisen widerspiegeln und die Ticketpreise in die Höhe treiben. Das Umfeld für Airlines sei damit aktuell auch ein herausforderndes, wie es heißt. 

Die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol warnte bereits Ende vergangenen Jahres, dass 2023 aufgrund des Ukraine-Konflikts, möglicher Streiks, steigender Flugzeugzahlen und der Wiedereröffnung asiatischer Märkte "das herausforderndste Jahr des letzten Jahrzehnts" werden könnte.

Hinzu kommt, dass Airlines – aber auch Hotels – nicht mehr alle Zielgruppen so erreichen, wie vor der Pandemie. "Studien legen nahe, dass bei Geschäftsreisen der Nachzieheffekt sehr viel schwerer zu erzielen sein wird als im Ferientourismus", sagt Rosen. Denn Konferenzen und Meetings würden seit der Pandemie viel öfter remote durchgeführt. Das spüren sowohl Airlines als auch City-Hotels bzw. Kongresszentren.

Hotels haben es schwieriger

Etwas verhaltener reagierten bisher die Aktien von Hotels. Die Papiere von Hilton konnten year-to-date rund zwölf Prozent zulegen. Papiere von Marriott liegen knapp 17 Prozent im Plus. Einzige Ausnahme bei den Hotels ist die französische Kette Accor, deren Aktien seit Jahresbeginn um 33 Prozent zulegen konnten. Das zeigt auch, dass bei den Buchungen Sparpotenzial gesucht wird. Überraschend in diesem Zusammenhang ist, dass Airbnb mit seinem Ausblick für das laufende zweite Quartal enttäuscht hat. Der US-Zimmervermittler prognostiziert für den Dreimonatszeitraum einen Rückgang des Buchungswachstums. Im ersten Quartal profitierte das Unternehmen noch von einer Erholung im asiatisch-pazifischen Raum. Airbnb schaffte zum Jahresauftakt aber den Sprung in die Gewinnzone. Der Überschuss habe sich auf 117 Millionen Dollar belaufen, teilte das Unternehmen mit. Vor einem Jahr hatte Airbnb einen Verlust von 19 Millionen Dollar verbucht.

Vor allem in den USA kämen Kunden aufgrund der gestiegenen Zinsen mitunter auch unter Druck. Die Reiselust lassen sich die Menschen trotz höherer Kosten zwar nicht nehmen – es zeigt sich aber, dass die Urlaube kürzer dauern und bei den Ausgaben vor Ort gespart wird.

"Die gute Nachfrage im Tourismus schlägt sich nicht bei allen Hotelbetreibern im Reingewinn nieder, da die Kosten überproportional gestiegen sind", sagt Martin Schaffer, Geschäftsführer beim Hotelberater MRP Hotels. Die Hotels haben ihre Preise freilich auch angepasst. Doch die Kosten, etwa für Energie oder Nahrungsmittel, belastet die Betreiber. Hinzu kommen die gestiegenen Zinsen für Finanzierungen. Da sich gezeigt hat, dass die Gäste teilweise auch mit dem Trinkgeld haushalten, hat etwa die Falkensteiner-Gruppe eine Trinkgeldpauschale inkludiert. Diese können Gäste annehmen oder ablehnen. Man habe das auch gemacht, weil bei der vermehrten Kartenzahlung die Kunden seltener an das Trinkgeld denken, wurde bei der Einführung des neuen Services erklärt. 

Sachgüter leiden

Während der Pandemie, als Reisen nicht möglich war, floss viel Geld in den Sachgüterbereich. Viele Menschen haben ihre Wohnung renoviert, neue Möbel gekauft. Aber auch bei Geschenken zeigten sich viele großzügiger. Das hatte damals die Umsätze von Unternehmen wie etwa Bed Bath & Beyond (hat vor einem Monat Insolvenz angemeldet) oder Tiffany nach oben getrieben. Ein großer Teil dieser Ausgaben fließt jetzt wieder in den Tourismus. Pfingsten und der Memorial Day haben in den USA heuer zu einem Rekordreise-Wochenende geführt. 

Eine Frau packt ihren Bed Bath & Beyond Sack in ein Einkaufswagerl
Bed Bath & Beyond war ein großer Profiteur der Pandemie. Die Umsätze stiegen steil an, weil die Menschen ihr Zuhause verschönert haben. Mittlerweile hat der US-Einzelhändler einen Insolvenzantrag gestellt.
Reuters / Jessica Rinaldi

Unterstützung erhält der Reisesektor derzeit auch vom US-Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung stieg im Mai wesentlich stärker, als Analysten erwartet hatten. Nach Angaben des Arbeitsministeriums hat die US-Wirtschaft außerhalb der Landwirtschaft im Mai 339.000 Arbeitsplätze geschaffen. Analysten hatten im Schnitt mit lediglich 195.000 neuen Stellen gerechnet. Gestiegen ist zugleich aber auch die Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 3,4 Prozent im Vormonat auf 3,7 Prozent. Volkswirte hatten im Schnitt mit einer Quote von 3,5 Prozent gerechnet.

Für die US-Notenbank Federal Reserve ist die Entwicklung ein zweischneidiges Schwert. Sie setzt darauf, dass sich der Arbeitsmarkt und die Lohnentwicklung abkühlen, was sich letztlich auch in der Inflationsentwicklung bemerkbar machen würde. Zu diesem Kalkül passen die moderatere Lohnentwicklung und auch die höhere Arbeitslosigkeit, nicht jedoch die steigende Beschäftigung. Zuletzt hatte es einige Stimmen aus der Notenbank gegeben, die eine Zinspause ins Spiel brachten. Allerdings wurde zugleich betont, dass damit nicht unbedingt ein Ende des Anhebungskurses verbunden sein müsse.

Seit März 2022 haben die US-Währungshüter ihre Leitzinsen um insgesamt fünf Prozentpunkte angehoben – so rasch und deutlich wie selten zuvor. Damit soll die hohe Inflation unter Kontrolle gebracht werden. Die höheren Zinsen belasten aber auch die US-Wirtschaft, sodass seit längerem Rezessionssorgen die Runde machen. Tritt das ein bzw. steigen die Zinsen weiter und verschlechtert sich die Stimmung am Arbeitsmarkt, ist die Frage, wann das auch auf den gerade boomenden Tourismus durchschlägt. "Noch ist der US-Arbeitsmarkt äußerst robust", sagt Rosen. Trübe sich die Stimmung bei der Beschäftigung aber stärker ein, "belastet das natürlich den privaten Konsum und damit auch den Tourismus", fasst die Börsenexpertin die Lage zusammen. (Bettina Pfluger, 7.6.2023)