Maria Happel wurde wegen ihrer vielen Funktionen kritisiert. Sie sei "nahezu nie am Institut anzutreffen", schrieben die Studierenden.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Die Leiterin des Wiener Max-Reinhardt-Seminars, Maria Happel, tritt zurück. Nach neuerlichen Vorwürfen der Studierenden gab Happel am Dienstag ihren Rückzug vom Institut an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (MDW) bekannt. 

"Als Leiterin des Instituts fühle ich mich dem Geist Max Reinhardts und seiner Theaterbesessenheit verbunden. Da mein Schaffen, das sich künstlerischen Gesichtspunkten verpflichtet, nicht mehr gewünscht ist, mache ich den Platz gerne frei und trete, nach eingehender Überlegung, mit sofortiger Wirkung von meiner Position zurück", sagte Happel. Sie nehme den Inhalt des offenen Briefs zur Kenntnis, pflichte diesem aber nicht bei, hieß es weiters von der MDW.

Die Rektorin der MDW, Ulrike Sych, nahm den Rücktritt Happels zur Kenntnis, gab sie in einer Aussendung bekannt. Interimistisch werde ihr Vizerektorin Gerda Müller folgen, "damit der reibungslose Abschluss des Semesters für alle" gewährleistet werden könne. Müller ist seit 2015 Vizerektorin für Organisationsentwicklung sowie Gender & Diversity. In einem ersten Interview mit der APA sagte Müller, dass sie eine "nachhaltige Lösung" will, um etwaige strukturelle Änderungen am Institut anzugehen.

Situation fast beruhigt

Noch bis Montag sah es so aus, als ob sich die Situation am Seminar wieder beruhigen könnte. Ende Mai forderten zwei Drittel der Studierenden an der Schauspielschule in einem offenen Brief den Rücktritt Happels. Sie kritisierten in ihrem Brief außerdem, dass die MDW zu wenig gegen Belästigung und Machtmissbrauch an der Institution unternommen habe. Die Universität und Happel wiesen die Vorwürfe stets entschieden zurück.

Aufgrund des Briefes kam es vergangene Woche zu einem Gespräch zwischen den Studierenden und Rektorin Sych. Von einem guten Gesprächsklima war die Rede, weitere Gespräche sollten geführt und auch erste Maßnahmen vom Rektorat gesetzt werden. Etwa eine Anweisung an alle Lehrenden, dass Unterricht in privaten Wohnungen von Lehrenden verboten sein soll. Zudem kündigte Sych an, ein Team aus Expertinnen und Experten unter dem Vorsitz Müllers zu installieren, um die Vorwürfe der Studierenden aufzuarbeiten. Es wirkte kurz so, als ob wieder Ruhe einkehren könnte.

Studierende wollten erneut in die Offensive

Am Dienstag aber gingen die Studierendenvertreter erneut in die Offensive. Nun war es die Kommunikation Happels, an der sich die Studierenden stießen. In einem APA-Interview von vergangener Woche sah sie sich "über Nacht zu einem Täter gemacht" und gab an, nicht zu wissen, worauf sich die Vorwürfe der Studierenden beziehen. Sie sagte außerdem, die #MeToo-Causa "diskret und vorbildlich gelöst" zu haben, und rechtfertigte, dass in der Ausbildung Grenzen einzelner Studierender überschritten werden. Den Vorwurf des Nepotismus wies sie zurück.

Die Studierenden sollen daraufhin dem Rektorat eine Bedingung gestellt haben: Es müsse Happels Äußerungen berichtigen und sich hinter die Studierenden stellen. Sonst sei ihr Ruf und jener der gesamten Institution gefährdet. Aus Studierendensicht widerspreche etwa Happels Aussage zu den Grenzüberschreitungen dem Leitbild der Universität und ließe den "Eindruck von Machtmissbrauch" entstehen. Eine entsprechendes Ultimatum, dieser Forderung nachzukommen, ließ das Rektorat Montagabend verstreichen.

Nach STANDARD-Infos warfen die Studierenden Happel mehrfach Falschbehauptungen vor. Einerseits sei sie sehr wohl mehrfach darauf hingewiesen worden, dass Lehrende in ihrem privaten Zuhause unterrichten würden. Die Studierenden hatten zuvor gefordert, dass es im Lichte der Belästigungsvorwürfe geschützte Räume für den Unterricht brauche. E-Mails, die dem STANDARD vorliegen, untermauern die Version der Studierenden. Happel sagte auch, dass sie bereit gewesen sei, klärende Gespräche zu führen. Die Studierenden halten dagegen und sagen, sie seien nie kontaktiert worden.

Workshop mit Berichten zu Übergriffen

Die von Happel kolportierte Lösung der #MeToo-Fälle, über die DER STANDARD im vergangenen Jahr berichtete, kritisieren die Studierenden ebenso wie ihre Aussage über einen Antidiskriminierungsworkshop, der tatsächlich stattgefunden hat. Laut Aussagen des Workshopleiters Thomas Schmidt auf Twitter sollen just in dieser Veranstaltung Studierende von häufig stattfindenden Übergriffen und psychischen Verletzungen gesprochen haben.

Die Studierenden gaben intern klar zu verstehen, dass sie kein Vertrauen mehr in Happel und ihre Stellvertretung Annett Matzke hätten. Man werde mit den beiden Leiterinnen "nicht mehr zusammenarbeiten", hieß es. Dieser Eskalation ist die Uni nun mit dem Abtritt Happels zuvorgekommen.

Die Causa dürfte auch über die Grenzen der Hochschule nachklingen. Die Forderung der Studierenden hat eine Debatte über sexuelle Belästigung an Universitäten ausgelöst. Happels sonstige Tätigkeiten am Burgtheater und bei den Reichenauer Festspielen ließen auch weitere Kritiker ausrücken, um über prominente Besetzungen im österreichischen Kulturbetrieb zu diskutieren. (Laurin Lorenz, 6.6.2023)