Ein von unbeugsamen Mühlviertlern bevölkertes Dorf leistet massiven Widerstand gegen ein Hotelprojekt.
Karin Bayr

Schnell wird hier im Oberen Mühlviertel klar, dass der Wille zur touristischen Weiterentwicklung klare Grenzen hat – und so manch umtriebiger Projektbetreiber in der Idylle der Böhmerwaldregion mitunter auf Granit beißt. Gleich an der Ortseinfahrt zu Ulrichsberg werden Besucher nämlich von einem Schild mit der Aufschrift "Nein zum Aparthotel" empfangen.

"Kritik gibt es immer noch, sogar noch mehr als je zuvor. Und die wird der Bürgermeister in Zukunft auch noch deutlicher spüren." Mario Lang

Womit der Grund für den aktuellen Bürgeraufstand klar ist: Auf dem Gelände des Golfplatzes des 150-Einwohner-Dorfes Seitelschlag in der Gemeinde Ulrichsberg soll die Hotelanlage "Alprima Hochficht" mit 73 Appartements in vier Häusern entstehen – und in "kombinierter Stein- und Holzbauweise" und mit insgesamt 354 Betten errichtet werden. Projektbetreiber ist die Schröcksnadel-Gruppe gemeinsam mit dem Stift Schlägl. Das Angebot soll sich, ob der Nähe zum Skigebiet Hochficht, einerseits an Wintergäste, anderseits auch an sommerliche Golfurlauber richten. Ein ähnliches Aparthotel wird aktuell in Hinterstoder betrieben.

Man hat an diesem Frühlingsvormittag zum Freiluft-Medientermin direkt auf den Golfplatz geladen. Dort, wo derzeit noch voller Leidenschaft abgeschlagen wird, sollen künftig Urlauber ihr Haupt zur Ruhe betten. Die Sonne scheint, der Wind weht lau – und aufseiten der Einladenden ist man bemüht, den massiven Gegenwind aus der Bevölkerung weitgehend zu ignorieren. Vielmehr geht es darum, einen entscheidenden Schritt in Richtung Realisierung zu präsentieren. Das Land Oberösterreich hat nämlich jüngst als Aufsichtsbehörde grünes Licht für die nötige Umwidmung des Areals von Grünland/Erholungsgebiet – Golfplatz in Bauland/Tourismusgebiet erteilt.

Geregelte Baufläche

Neben den im Behördenverfahren verlangten Nachweisen in den Bereichen Ökologie und Wirtschaftlichkeit, in den Fragen der Mobilität und der Raumordnung habe vor allem in der Abwägung auch der große öffentliche Nutzen nun zu dem positiven Flächenwidmungsbescheid geführt, so Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP). "Ich stehe voll hinter diesem Projekt. Es ist ein wichtiger Meilenstein." Man müsse in Regionen, in denen es das Potenzial gibt, auch entsprechende Angebote schaffen. "Und ein Golfhotel muss eben am Golfplatz liegen – genauso wie ein Seehotel eben am See liegt."

Achleitner merkt aber auch an, dass im Laufe des Verfahrens "zu Recht" Versagungsgründe eingebracht wurden und letztlich "viele Verbesserungen" vorgenommen worden seien. Etwa dürfen jetzt nur maximal 2000 Quadratmeter der Gesamtfläche verbaut werden, zwei Drittel müssen grün bleiben. Zudem sollen ein Geh- und Radweg und eine Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz etwa mit einem Shuttlebus erfolgen. Auch die Befürchtung, dass in Seitelschlag Appartements letztlich als Zweitwohnsitze genutzt werden könnten, sei "durch die Widmung ausgeschlossen".

Aufgegriffen hat man damit vor allem Argumente der Projektgegner: etwa die Angst vor einer deutlich höheren Verkehrsbelastung und die befürchtete bauliche Überdimensionierung des 16-Millionen- Euro-Projektes.

Segen von oben

Sicher ist dem Vorhaben jedenfalls auch der Segen von oben. Auch wenn im Fall des Prämonstratenser-Chorherrenstiftes Schlägl durchaus weltlich-wirtschaftliche Interessen die fromme Selbstlosigkeit spürbar in den Hintergrund drängen. "Das Hotel als Anziehungspunkt für unsere Region und zur Erkundung dieser ist aus unserer Sicht eine sinn- und wertvolle Ergänzung für unsere Region. Der offene und würdige Diskurs im Vorfeld der Verfahren hat viele positive Ergänzungen wie die Reduktion der Bodenversiegelung auf ein Minimum, die zusätzliche Errichtung eines Gehweges und die angesprochene nachhaltige Bauweise ergeben", ist Abt Lukas Dikany voll des Lobes.

Und der Gottesmann verweist auch auf den Selbstversorgercharakter des Hotels, wodurch die Gäste vermehrt die regionalen Nahversorger und Gastronomiebetriebe nutzen werden. Projektpartner Markus Schröcksnadel rechnet jedenfalls mit einem Baustart noch im heurigen Jahr: "Wir sehen das Projekt als gemeinsame Zukunftsaktie für die touristische und infrastrukturelle Sicherung und Entwicklung von Ulrichsberg und der gesamten Böhmerwaldregion. Es kann und wird uns hier gemeinsam ein regional und wirtschaftlich nachhaltiges Projekt gelingen."

Überraschender Bürgerzorn

Zumindest Wilfried Kellermann, ÖVP-Bürgermeister von Ulrichsberg, befällt bei der Jubelpräsentation – bei der übrigens auffallend war, dass kein Vertreter der "Ferienregion Böhmerwald" anwesend war – ein leichter Anflug von Selbstkritik. Er sei "überrascht gewesen", dass vonseiten der Bevölkerung Bedenken gekommen seien: "Wahrscheinlich hätten wir früher Kontakt aufnehmen sollen. Aber rückblickend ist man immer gescheiter." Zumindest jetzt hätte sich die Lage beruhigt.

Doch in den Reihen der örtlichen Bürgerinitiative ist von einer Entspannung aktuell wenig zu spüren. "Gut ist gar nichts", stellt Sprecher Mario Lang klar. Vor allem sei das Hotel "immer noch zu groß". Lang: "Hundert Betten reichen. Wobei dies im Bebauungsplan unwiderruflich festgelegt werden muss." Zudem gebe es "bessere Standorte in Zentrumsnähe Ulrichsberg".

Die zahlreichen Kritikpunkte würden sich nicht durch eine "dubios begründete Interessenabwägung" aufheben lassen. Lang sagt, es seien "immer noch 90 Prozent der Seitelschläger und eine Mehrheit der Ulrichsberger gegen das Projekt." Die Wasserversorgung habe man insofern geregelt, als "eine neuerliche Stellungnahme des Projektanten die Versorgung so weit ausreichend sieht". Lang: "Das ist aber nicht so, da wir im vergangenen Jahr zweimal eine Unterbrechung der Versorgung über mehrere Stunden hatten. Wohlgemerkt außerhalb einer Trockenperiode."

Laute Disharmonie

Hinsichtlich des Geh- oder Radwegs machten der Bürgermeister und die Verantwortlichen "wieder denselben Fehler wie immer. Sie kündigen an und haben noch nicht mit den Seitelschlägern und den Grundeigentümern geredet. Meines Wissens wird dafür kein Grund abgetreten." Abgesehen davon sei "ein Geh- und Radweg für 500 Meter sinnbefreit, wenn er wieder an der Landesstraße endet". In Wirklichkeit solle dieser Weg nur die Straße ohne bauliche Abgrenzung verbreitern und müsse als Argument für den Bau herhalten, ist Lang überzeugt.

Auch mit dem Shuttleservice hat Lang wenig Freude: "Ein Shuttlebus für ein Selbstversorgerhotel? Wie soll das funktionieren? Der Bus fährt am Tag 50 Mal für alle möglichen Besorgungen, Ausflugsziele, Gastrobesuch? In Wahrheit wird jeder selber zu seiner Zeitvorstellung zu seinem Ziel fahren." Und damit werde es ein hohes Verkehrsaufkommen geben.

Und die Gewitterwolken dürften sich über dem Böhmerwald verdichten: "Kritik gibt es immer noch, sogar noch mehr als je zuvor. Und die wird der Bürgermeister in Zukunft auch noch deutlicher spüren." (Markus Rohrhofer, 8.6.2023)