Im klassischen Konzept einer Linux-Distribution ist die Auslieferung von Programmen ein mehrstufiger Prozess. Während es die eigentlichen Entwicklerinnen und Entwickler des jeweiligen Projekts sind, die den Quellcode zur Verfügung stellen, übernimmt die Distribution die Aufgabe, aus diesem Code dann lauffähige Programme zu machen. Sie ist es auch, die dann in weiterer Folge für die Wartung zuständig ist und über die die Nutzer ihre Updates beziehen.

Vor- und Nachteile

Ein Konzept, das durchaus seine Meriten hat. Stellt die Distribution doch eine zusätzliche Prüfstelle dar, die dafür sorgen soll, dass die Programme auch optimal laufen. Zudem fügen Distributionen oft eigene Erweiterungen hinzu oder übernehmen wichtige Fehlerbereinigungen, schon bevor eine neue Version der Software verfügbar ist. Doch dieses System hat auch seine Schattenseiten. Dazu zählt, dass dieser Prozess gerade bei größeren Projekten ziemlich aufwendig sein kann und somit auch viele Ressourcen der jeweiligen Distribution bindet.

Bleibt ein Ausweg: die Flatpak-Version von LibreOffice
Bleibt ein Ausweg: die Flatpak-Version von LibreOffice.
Proschofsky / STANDARD

Abschiednehmen

Genau auf diesen Umstand weist nun Red-Hat-Entwickler Matthias Clasen in einer Ankündigung auf der Mailingliste des Fedora-Projekts hin und kündigt einen überraschenden Schritt an: Red Hat, das neben dem eigenen Enterprise Linux auch maßgeblich hinter Fedora steht, gibt die Pflege der eigenen Pakete für die freie Office-Suite LibreOffice auf.

Der Grund dafür: Das Unternehmen ist davon überzeugt, dass die eigenen Ressourcen für andere Aufgaben besser genutzt werden können. Dabei verweist Clasen vor allem auf grundlegende Verbesserungen am Linux-Desktop selbst, so arbeitet man etwa derzeit am HDR-Support für das zur Grafikdarstellung genutzte Wayland.

Im Gegenzug will man die eigene Involvierung in Desktop-Anwendungen reduzieren, und da ist LibreOffice aufgrund seiner Größe ein naheliegender Kandidat. Für die Linux-User bedeutet das zunächst einmal, dass LibreOffice nicht mehr fix mit Red Hat Enterprise Linux (RHEL) ausgeliefert werden soll, doch auch bei der Community-Distribution Fedora zeichnet sich eine ähnliche Änderung ab. Immerhin hat man dort bisher von den Red-Hat-Arbeiten indirekt profitiert.

Flatpak

Das heißt aber nicht, dass LibreOffice künftig nicht mehr unter Fedora oder RHEL laufen soll. Denn Clasen verweist auf eine Alternative: Die freie Office-Suite ist auch via Flathub im distributionsübergreifenden Flatpak-Format verfügbar, wo sie direkt vom Upstream-Projekt – also Libreoffice selbst – gepflegt wird.

Clasen betont zudem, dass es natürlich der Community freisteht, die Wartung der entsprechenden Fedora-Pakete zu übernehmen. Insofern könnte es natürlich sein, dass LibreOffice auch in klassischer Form ein Teil von Fedora bleibt. Gleichzeitig streicht der Red-Hat-Entwickler heraus, dass jeder wissen sollte, worauf er sich dabei einlässt, da der damit einhergehende Zeitaufwand signifikant ist.

Die Reaktion auf diese Ankündigung trifft in der Fedora-Community nicht ganz überraschend auf wenig Begeisterung. So streichen Einzelne heraus, dass Red Hat sich zuletzt aus einigen Aufgaben bei Fedora zurückgezogen hat. Tatsächlich hat Besitzer IBM zuletzt hunderte Jobs bei Red Hat gestrichen, was den Linux-Hersteller wohl dazu zwingt, seine Ressourcen fokussierter zu verteilen.

Support

Der Support für LibreOffice in bestehenden Versionen der von Red Hat betreuten Distributionen soll übrigens bestehen bleiben. Das betrifft vor allem alle noch unterstützten RHEL-Ausgaben, Fedora hat hingegen einen recht kurzen Support-Zeitraum, bevor auf die nächste große Version gewechselt werden muss, hier wird das Unternehmen die Wartung also bald abgeben. Red Hat will seine Aktivitäten jedenfalls sonst – also jenseits des Legacy-Supports – auf die Verbesserung des offiziellen Flatpaks reduzieren.

Bleibt abzuwarten, wie die Community-Distribution auf diese Situation reagiert. Also ob Fedora auch in der kommenden Version noch mit einem "klassisch" vorinstallierten LibreOffice ausgeliefert wird oder ob man einfach stattdessen auf die Flathub-Version verweist. (Andreas Proschofsky, 6.6.2023)