In der kleinen deutschen Gemeinde Ehningen nahe Stuttgart wird künftig ein europäisches Quanten-Datenzentrum des IT-Konzerns IBM stehen – neben einer ähnlichen Einrichtung in New York erst das zweite seiner Art weltweit. 2024 soll die Anlage an dem bereits bestehenden deutschen IBM-Forschungsstandort in Betrieb gehen.

Quantencomputer
Wenn der Plan des IT-Konzerns IBM hält, sollen Quantencomputer mit 100 Qubits bereits nächstes Jahr im deutschen Ehningen einsatzbereit sein.
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Das Ziel ist es, unter anderem eine rein europäische Cloud-Umgebung zu schaffen, in der Quanten- und klassische Computersysteme nahtlos integriert sind und Rechenaufgaben zwischen diesen Systemen aufgeteilt werden können. Bei IBM spricht man hierbei von "quantenzentrierten Supercomputern". Mit der Einrichtung werde man "in der Lage sein, Dienste für europäische Nutzer anzubieten, wobei Quantendaten, Auftragsdaten und Nutzerdaten innerhalb der europäischen Grenzen bleiben", erklärte Jay Gambetta, Vizepräsident von IBM Quantum bei einem Pressetermin.

100 Rechenschritte

Kern des Datencenters sollen die unternehmenseigenen Quantenprozessoren der "Eagle"-Serie in der Größenordnung von 100 Qubits sein, die – aus der Perspektive IBMs – den Übergang zu Anwendungen bringen sollen, die klassischen Computersystemen überlegen sind. Dafür muss ein Quantensystem dieser Art allerdings voll kontrollierbar sein, was die Forschenden nach wie vor vor große Herausforderungen stellt.

Schon vergangenes Jahr kündigte IBM an, dass 2024 eine 100-x-100-Herausforderung gemeistert werden soll, bei der also mit 100 Qubits 100 aufeinander aufbauende, fehlerfreie Rechenschritte durchgeführt werden sollen – was tatsächlich einen großen Schritt nach vorn bedeuten würde.

Neue Infrastruktur für bestehende Quanten-Cloud

Die neue Infrastruktur setzt auf einem bereits bestehenden Quanten-Cloud-Ansatz von IBM auf, bei dem mehr als 60 Organisationen auf Hard- und Software zu Forschungs-, Entwicklungs- und Trainingszwecken zugreifen, darunter die Universität der Bundeswehr, das Nuklearforschungszentrum Cern, der Energieversorger E.ON oder der Telekomdienstleister T-Systems. Forscher des Fraunhofer-Instituts betrieben bereits mit dem "System One" einen IBM-Quantencomputer mit 27 Qubits am Standort Ehningen.

Mit dem neuen Datenzentrum, das einer Reihe von weiteren Quantencomputer-bezogenen Investitionen in Großbritannien, Spanien und Polen folgt, soll dieses Ökosystem wesentlich erweitert werden. Bisher konnten allerdings kaum konkrete Problemstellungen formuliert werden, für die absehbare Quantensysteme einen Vorteil gegenüber konventionellen Computern bringen.

Gambetta nennt als mögliche Bereiche, in denen erste Anwendungsfälle entstehen könnten, etwa die Hochenergiephysik, die Materialwissenschaft oder Optimierungsprobleme im Umweltbereich. (Alois Pumhösel, 7.6.2023)