Peter Hacker: "Der Denkmalschutz ist ein nicht unerhebliches Thema"
APA/ROLAND SCHLAGER

Wenn die öffentlichen Debatten um Österreichs größtes Stadion kreisen, darüber, ob es saniert, abgerissen oder im derzeitigen Zustand erhalten werden soll, hat die Stadt Wien das letzte Wort. Ihr gehört das Praterstadion. Sie müsste vermutlich das meiste Geld aufbringen, wenn Investitionen anstehen. Als der damalige Sportminister Heinz-Christian Strache und der damalige ÖFB-Präsident Leo Windtner ab 2018 laut über ein neues Nationalstadion nach Budapester Vorbild nachdachten, beendete Peter Hacker im Sommer 2019 die Diskussion. Der für den Sport zuständige Wiener Stadtrat sagte, dass die Stadt nicht für den Neubau eines reinen Fußballstadions zu haben sei. Derzeit prüft die Stadt die bauliche Substanz des Stadions.

ballesterer: Wann werden die Ergebnisse der Überprüfung vorliegen?

Hacker: Die vertiefende Bestandsanalyse soll bis Ende 2023 abgeschlossen sein. Das Stadion wird regelmäßig durch Sachverständige geprüft. Die vorliegenden Gutachten zeigen gleichlautende Lebensdauern von mehr als 40 Jahren für Dach und Tribünen. Die vertiefende Bestandsanalyse soll diese Aussagen auf Herz und Nieren überprüfen, um auch für größere Investitionen abgesichert zu sein.

ballesterer: Soll das Stadion künftig wieder mehr Platz für Sport abseits des Fußballs bieten, etwa Leichtathletikbewerbe und eine öffentliche Nutzung der Laufbahn?

Hacker: Im Zuge möglicher größerer Investitionen werden wir uns auch anschauen, ob es Sinn macht, die Laufbahn zu erneuern, und das anderen Optionen wie zusätzlichen Tribünen gegenüberstellen. Öffentliche Nutzungen wie im Rahmen des Frauenlaufs und ähnlichen Veranstaltungen soll es weiterhin geben, auch Schulsportveranstaltungen wie Athletics light sollen beibehalten werden.

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Ballesterer

ballesterer: Welche wirtschaftlichen und kulturellen Ziele sollen mit dem Stadion verfolgt werden?

Hacker: Die ökonomische Betrachtungsweise ist ziemlich einfach: Ohne Open-Air-Konzerte ist ein kostendeckender Betrieb nicht möglich. Die Fußballspiele sind für die Stadt kein Geschäft. Das beweist auch der internationale Vergleich: Im Stade de France, in dem das französische Nationalteam seine Spiele austrägt, aber kein Klubfußball stattfindet, schießt die Stadt Paris mehr als 15 Millionen Euro pro Jahr für die Aufrechterhaltung des Stadions zu. Kulturveranstaltungen werden – wie seit der Geburtsstunde des Stadions – ein zentraler Bestandteil des Betriebskonzepts bleiben.

ballesterer: Und wie schaut es mit ökologischen Zielen aus?

Hacker: Im Vergleich zur ebenfalls EMAS-zertifizierten Arena in München hat das Happel-Stadion einen wesentlich geringeren Gesamtenergieverbrauch, obwohl beim Wiener Stadion auch das Trainingsgelände dabei ist. Klar ist aber, dass alle künftigen Investitionen ökologischen Kriterien entsprechen müssen. Das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig.

ballesterer: Ist eine intensivere Nutzung des Mantels durch weitere Büroräume und Ähnliches angedacht?

Hacker: Den Ring der Mantelnutzung zu schließen, ist bereits denkmalschutzrechtlich genehmigt. Mein Vorschlag ist ein Stadion des Sports, in dem zahlreiche Fachverbände ihr Zuhause finden könnten.

ballesterer: Apropos Denkmalschutz. Welche baulichen Änderungen wären überhaupt denkbar?

Hacker: Der Denkmalschutz ist ein nicht unerhebliches Thema, das betrifft auch die Dachkonstruktion. Im Detail werden wir uns damit nach Vorliegen der Bestandsanalyse beschäftigen.

ballesterer: Wenn die Überprüfung ein positives Ergebnis hervorbringen sollte und in der Folge Investitionen getätigt werden – wann soll ein erneuertes Stadion stehen?

Hacker: Wir müssen die Ergebnisse der Analyse abwarten. Erst danach können mögliche Pläne erarbeitet und ein Zeitplan definiert werden – und dann erfolgt die Kommunikation.

ballesterer: In welchem Kostenrahmen dürften sich Investitionen der Stadt bewegen?

Hacker: Auch das hängt von der Bestandsanalyse und den sich bietenden Möglichkeiten ab. Entscheidend ist, dass Investitionen zu einem Mehrwert führen, der von der Bevölkerung auch als solcher wahrgenommen wird.

ballesterer: Die Stadt Wien ist Eigentümerin des Stadions. Welche Rolle sollen Bund, ÖFB und private Betreiber in der Weiterentwicklung spielen?

Hacker: Alle Player sind eingeladen, ihre Ideen einzubringen. Wenn es kreative Vorschläge für ein Public-Private-Partnership gibt, die den erwähnten Mehrwert bringen, ist auch das denkbar. Ein Szenario, bei dem Steuergeld investiert wird und ein Dritter verdient, wird es mit der Stadt Wien aber sicher nicht geben. (Raphael Gregorits, 7.6.2023)