Andreas Bablers Wahl zum SPÖ-Chef ist nun amtlich – ganz klar sind die Vorgänge seiner verpfuschten Wahl am Samstag allerdings nicht. Dabei müsste die SPÖ selbst das größte Interesse daran haben, eine Vorsitzwahl ohne jegliche Schönheitsfehler abzuwickeln. "Dass Wahlergebnisse stimmen, ist natürlich schon allein deshalb wichtig, damit das Ergebnis auch dem Willen der Wählerinnen und Wähler entsprechen", sagt Julia Partheymüller von Institut für Staatswissenschaft an der Uni Wien. Dabei gehe es aber "nicht nur darum, dass das Resultat korrekt ist, sondern auch darum, dass es unter Einhaltung aller Verfahrensregeln korrekt zustande gekommen ist. Wenn das angezweifelt wird, wenn da Verdächtigungen und Gerüchte herumschwirren, sinkt die Legitimität des Resultats."

Urne bei Durchführung einer Wahl.
Das Vertrauen in Wahlen ist essenziell für eine Demokratie.
imago images/ Eibner

Das bringt die Partei ordentlich in Schwierigkeiten – auch wegen der Geschehnisse im Vorfeld der Wahl. "Man kann ein ganz schludriges Verfahren machen, wenn sich eigentlich eh alle einig sind – aber bei Doskozil und Babler waren schon deutliche inhaltliche Unterschiede vorhanden, und es gibt innerparteiliche Konflikte", sagt Partheymüller. "Hier wäre es besonders wichtig gewesen, professionell und transparent vorzugehen." Bei der Wahl Karl Nehammers zum Bundesparteiobmann der ÖVP gab es ja etwa Zweifel an der Wahrung des Wahlgeheimnisses – weil es aber keinen Gegenkandidaten gab, flaute die Aufregung schnell wieder ab.

Das Problem der Legitimität sei am Ende gar nicht nur SPÖ-intern, glaubt die Politikwissenschafterin: "Je weniger Wettbewerb es zwischen den Parteien gibt, desto wichtiger werden diese innerparteilichen Verfahren. Wir haben starre Parteien in Österreich, da macht es einen umso größeren Unterschied, wer diese Parteien anführt." 

Wie eine Wahl korrekt abgewickelt wird

Es stellt sich aber auch die Frage: Kann ein derartiges Debakel mit Stimmverwechslungen auch bei Wahlen auf Bundesebene stattfinden? Geht es jedenfalls nach einem langjährigen Wahlleiter und nach dem Innenministerium, sei eine solche Panne bei Wahlen sehr unwahrscheinlich.

Der Politikwissenschafter Jakob-Moritz Eberl, der unter anderem zu Demokratiefragen an der Uni Wien forscht, war bereits mehrmals an Auszählungen von Nationalrats- und Landtagswahlen in Wien beteiligt und leitete des Öfteren die dortige Wahlkommission. Er gibt dem STANDARD einen Einblick über die Vorgänge am Beispiel einer Nationalratswahl nach dem Schließen der Wahllokale.

Schritt 1: Abgegebene Stimmen überprüfen

Der erste Schritt, nachdem die Sprengel geschlossen haben, ist die Zählung aller Stimmzettel. Die abgegebenen Stimmen werden mit der Anzahl jener Stimmzettel verglichen, die im Wahllokal ausgegeben wurden. "Es kann vorkommen, dass beispielsweise eine Person ein leeres Kuvert in die Urne schmeißt und den Stimmzettel mit nach Hause nimmt", erklärt Eberl. Erst nachdem die absolute Zahl an abgegebenen Stimmen gezählt und notiert wurde, werden die Stimmzettel jeweils nach einzelner Partei und ungültigen Stimmen sortiert.

Schritt 2: Stimmzettel nach Parteien oder Kandidaten sortieren

All das bestätigt auch das Innenministerium auf Nachfrage. "Typisch sind in diesem Prozess mehrere Kontrollschleifen. Ganz im Sinn der Judikatur sollen diese Vorgänge vor den Augen der Wahlbehörde erfolgen und von allen Parteien kontrolliert werden können", sagt ein Sprecher.

Nimmt man also das Beispiel einer Nationalratswahl, gibt es für jede Partei einen eigenen Stoß – die ungültigen Stimmen kommen ebenfalls auf einen Stapel. "Jeweils zehn Stimmen werden abwechselnd horizontal und vertikal aufeinandergelegt", erklärt Eberl den Zählvorgang.

Schritt 3: Überprüfung der Stimmen und Sofortmeldung

Sind alle Zettel ausgezählt und hat jeder Stapel eine Stimmenanzahl, wird üblicherweise noch einmal von einer anderen Person der Wahlkommission nachgezählt. Am Ende sollten alle Stapel addiert die Anzahl aller Stimmen ergeben, die im ersten Schritt notiert wurde. "Es ist wie eine Art Kontrollmechanismus. Ergibt das nicht die Zahl der absoluten Stimmen, muss nochmals gezählt werden", sagt Eberl.

Hätte die SPÖ ähnlich gehandelt wie bei Wahlen üblich, wäre der Fehler vermutlich früher aufgefallen. Erst durch ORF-Moderator Martin Thür, das Zusammenzählen der Kandidatenstimmen und den Vergleich mit der absoluten Stimmenanzahl, ist der Fehler bei der SPÖ-Vorsitzendenwahl aufgefallen. 

Um zurück auf den Vorgang bei einer Nationalratswahl zu kommen: Gibt es keine Ungereimtheiten nach der Auszählung, wird von der Wahlkommission des Sprengels eine Sofortmeldung mit dem Ergebnis an die nächsthöhere Wahlbehörde gesendet – Wahlbehörden gibt es auf Gemeinde-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Auch die Wahlbehörden prüfen nochmals, ob alle Zahlen korrekt übermittelt sind. Damit ist das Ergebnis aber noch nicht endgültig. 

Schritt 4: Stimmzettel gehen an die Bundeswahlbehörde

Nach der Sofortmeldung werden laut Eberl alle Stapel jeweils einzeln in ein Kuvert versiegelt und zur nächsten Wahlbehörde gebracht. "Alle Mitglieder müssen unterschreiben und geloben, dass die angegebenen Zahlen auch stimmen", erklärt Eberl.

Auf jedem versiegelten Kuvert sei zudem die jeweilige Partei mit der genauen Stimmenanzahl vermerkt. Die versiegelten Wahlakten durchlaufen schließlich alle Wahlbehörden bis auf Bundesebene. Erst nach der Kontrolle der Bundeswahlbehörde wird das Ergebnis der Wahl endgültig. Sollte es danach trotzdem zu einem strittigen Wahlergebnis kommen und wird die Wahl angefochten, kann der Verfassungsgerichtshof die versiegelten Stimmzettel von der Wahlbehörde einfordern und diese nochmals nachzählen. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 7.6.2023)