Die künstliche Intelligenz kommt in der Immobilienbranche an. Mit der App viAct könnten beispielsweise Baustellen sicherer werden, indem sie potenzielle Gefahren erkennt, was die Ausrüstung der Arbeiterinnen und Arbeiter oder die Sicherung eines Gerüsts betrifft – und sofort eine Warnung an die Verantwortlichen verschickt. Die App stammt von einem Hongkonger Unternehmen.

Die KI ist auch im Wohnbereich angekommen.
Cartoon: Oliver Schopf

Es gibt aber auch bereits österreichische Anwendungen der KI. Die App Smartbricks kann mit Bildern eines Dachs gefüttert werden – und entwickelt dann für Dachdecker und Spenglerinnen eine Liste an Materialien, die für die Reparatur möglicherweise gebraucht werden könnten. Alles sehr smarte Lösungen für sehr spezifische Herausforderungen, die Clemens Wasner, Mitbegründer von AI Austria und CEO von enliteAI, vergange Woche im Linzer Ars Electronica Center anlässlich des 76. Wohnsymposiums des STANDARD und des Fachmagazins Wohnen Plus vorstellte.

Bei der Veranstaltung ging es dieses Mal um die Auswirkungen von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz auf die Wohnungswirtschaft – passenderweise fand sie im Ars Electronica Center in Linz statt. Treue Besucherinnen und Besucher erinnerten sich daran, dass das Wohnsymposium schon einmal, vor rund 20 Jahren, im Ars Electronica Center gastiert hatte.

Auch damals ging es um die Digitalisierung und ihre Herausforderungen für den Wohnsektor. Viel Wasser ist seither die überraschend grüne Donau hinuntergeflossen – und die Herausforderungen für die Branche sind nicht weniger geworden.

Viele Herausforderungen

Ganz im Gegenteil: Die hohen Baukosten sind für Bauträger zum Bremsklotz geworden, die Mieten im freifinanzierten Bereich in den letzten Jahren explodiert. Und nun steigen die Zinsen, und die Inflation treibt nicht nur die Mieten, sondern sie verteuert auch Energie- und Betriebskosten und macht die Wohnkosten für immer mehr Menschen zur Herausforderung. Kann uns die künstliche Intelligenz da irgendwie herausholen?

Wie man sich das Wohnen noch leisten kann, sei für viele derzeit im Alltag tatsächlich ein weit größeres Thema als die künstliche Intelligenz, betonte Peter Binder, SPÖ-Politiker und Dritter Präsident des oberösterreichischen Landtags, schon bei seiner Begrüßung – und dieser Aspekt wurde während der Veranstaltung immer wieder auch kritisch betont. Was sich auch bemerkbar machte: Während Ziegel, Fenster, Türen greifbar sind, ist es die künstliche Intelligenz in der Wohnungswirtschaft noch nicht so ganz.

Moderatorin Franziska Leeb diskutierte mit Gerfried Stocker, Catherine Laflamme, Julia Wawrik und Jürgen Harich (von links).
Walkolbinger

Bei der gemeinnützigen OÖ Wohnbau gibt es eine App für Hausbewohnerinnen und Hausbewohner, "mittelfristig" wird auch ein Chatbot eingeführt, der Bewohnerinnen und Bewohnern automatisiert Fragen – etwa zu gestiegenen Betriebskosten – beantworten soll, berichtete Geschäftsführer Jürgen Harich auf dem Podium: "Unsere Mitarbeiter können so für kreative Projekte freigespielt werden." Das bleibe aber vorerst die einzige Anwendung bei der OÖ Wohnbau.

Technologie, die Menschen ersetzt

"Ich muss da jetzt schon ein wenig polarisieren", kündigte Gerfried Stocker, Geschäftsführer und künstlerischer Leiter des Ars Electronica Center, gleich darauf an. Ihm werde "schwummrig", wenn es bei einer neuen Technologie einzig darum gehe, die Menschen zu ersetzen: "Wir haben alle erlebt, wie wir in die Irre geführt werden und im Kreis laufen", sagte Stocker etwa über Chatbots oder digitale Foyers von Banken, "und vorn und hinten findet man keine Telefonnummer. Warum wollen wir bei jeder Technologie Menschen ersetzen?"

Es gehe nicht um den Ersatz von Menschen, entgegnete wiederum OÖ-Wohnbau-Chef Harich – derzeit gebe es vielmehr einen Mangel an Arbeitskräften. Und jene, die durch einen Chatbot entlastet werden, würden das als Erleichterung empfinden, ist er überzeugt.

Im Sinne der Leistbarkeit könne man bestimmte Prozesse im operativen Bereich mit der KI durchaus optimieren, betonte auch Julia Wawrik, Geschäftsführerin von Puck, hinter der der Wiener Immobilienentwickler JP Immobilien steht. Dabei handelt es sich um eine App, mit der Hausverwaltungen mit ihren Mietern kommunizieren können – und umgekehrt.

Im Betrieb von Gebäuden sieht Clemens Wasner auch das größte Potenzial für die künstliche Intelligenz. Doch auch in der Umsetzung und in der Errichtung von Immobilien tue sich derzeit viel – hier gibt es beispielsweise die eingangs erwähnten Apps oder auch das Digitalisierungsprojekt "Brise" der Stadt Wien für digitale Baueinreichung.

Hoher Energieverbrauch

Was der Experte aber auch betonte: Mit der neuen Technologie kommen auch neue Herausforderungen auf die Gesellschaft zu. Wasner verwies etwa auf den hohen Energieverbrauch beim Trainieren komplexer Modelle. Dieser liege teilweise auf dem Niveau von Interkontinentalflügen "oder weitaus darüber".

Hier brauche es grundlegende Innovation, weil sonst die Umweltbilanz langfristig "eher schlechter als besser wird". Und dann kämen viele der Innovationen aus den USA oder aus Asien. Daher müsse man die Frage stellen, "wie so etwas in einem europäischen Rechtsrahmen ausschauen kann".

Die künstliche Intelligenz eignet sich auch nicht für jeden Anwendungsbereich: Sie lernt anhand von Daten laufend dazu – wo es keine Daten gibt, wird es schwierig. Das betrifft beispielsweise die Planung von Häusern in Österreich, die, wie ein Zuruf aus dem Publikum bestätigte, immer noch sehr individuell und nur selten seriell erfolgt.

Wohnen ist in den letzten Jahren für viele Menschen teuer geworden.
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"Wenn in Österreich jedes Haus anders ist, kann die KI nicht wirklich viel anfangen", sagte die Physikerin Catherine Laflamme, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut. Mit der KI alleine sei es außerdem auch gar nicht getan – denn in der Wohnungswirtschaft gehe es letztendlich immer auch um die Nutzerinnen und Nutzer, betonte Julia Wawrik von Puck. Künftig wolle man diese in puncto Energieverbrauch stärker sensibilisieren – und das habe eigentlich weniger mit KI zu tun.

Viele Anwendungsbereiche

Über die Potenziale und Probleme der Technologie ging es dann auch bei den Tischgesprächen in kleinerer Runde. Eine Gruppe von Studierenden der FH Wels sah das größte Potenzial für die künstliche Intelligenz im Bauprojektmanagement. Die Ausschreibung funktioniere in vielen Firmen noch sehr analog. Es könnte sich aber auszahlen, Projekte miteinander zu vergleichen, um bei oft recht ähnlich gearteten Problemen schneller zu Lösungen zu kommen und nicht immer das Rad neu zu erfinden.

Andere Tische entwickelten Ideen zu Simulationsmodellen – etwa in Hinblick auf die Nutzung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Eine Gruppe von Teilnehmenden würde die KI auch gern bei der Umstellung von Gebäuden in Richtung CO2-Neutralität zu Hilfe nehmen: "Das Wissen ist grundsätzlich vorhanden", sagte Michael Gehbauer, Sprecher seines Tisches und Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers WBV-GPA.

"Eigentlich liegt alles auf dem Tisch." Es sei bekannt, wie die Gebäude im Bestand ausschauen, welche Technologien es gibt und wo sich Tiefensonden und wo Luftwärmepumpen auszahlen. "Dann müsste nicht jeder für sich selbst darüber nachdenken", sagte Gehbauer.

Entlastung für Geldbörsen

Viele gute Anwendungsgebiete also für die künstliche Intelligenz, die dann – in Kombination mit anderen Maßnahmen und sehr langfristig gedacht – vielleicht entlastend für die Geldbörsen der Bewohnerinnen und Bewohner werden.

Klar wurde im Ars Electronica Center aber auch: Es gibt keine einfachen Lösungen – und ohne soziale Intelligenz funktioniert die künstliche Intelligenz nicht. "Wie gehen wir mit globalen sozialen Problemen um? Da wird uns die KI nicht helfen", betonte Catherine Laflamme.

Ars-Electronica-Chef Stocker wünscht sich einen längerfristigen Nachdenkprozess darüber, was KI für die Gesellschaft bedeutet. Technologie, betonte er, könne keine Probleme lösen – "wenn, dann können nur wir diese Probleme lösen". (Franziska Zoidl, 6.6.2023)