Komplexe organische Moleküle sind Teil der natürlichen Weltraumchemie, so viel weiß man nach jahrzehntelanger Beobachtung des Alls inzwischen. Die Entdeckungen der letzten Jahre untermauerten die These, dass die chemischen Grundbausteine für die Entstehung des Lebens auf der Erde ursprünglich aus dem All kamen. Doch wann in der Geschichte des Universums bildeten sich erstmals solche Kohlenwasserstoffe?

Möglicherweise schon sehr früh, wie ein Blick mit dem aktuell leistungsfähigsten Weltraumteleskop in eine sehr ferne und damit junge Galaxie nun annehmen lässt: Ein Team um Justin Spilker von der Texas A&M University hat mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) in einer Galaxie, die weniger als 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall bereits existiert hat, organische Substanzen entdeckt.

Das JWST-Falschfarben-Bild zeigt eine Galaxie im Vordergrund in Blau. Die verzerrte und zugleich vom Gravitationslinseneffekt vergrößerte Galaxie SPT0418-47 weit dahinter erscheint in Rot. Die identifizierten organischen Moleküle sind orange hervorgehoben.
Foto: J. Spilker/S. Doyle/NASA/ESA/CSA

PAK in junger Galaxie

In dem Licht, das die mehr als zwölf Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie SPT0418-47 aussendet, konnten die Forschenden das Spektralsignal polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) identifizieren. Es ist dies die fernste Galaxie, bei der dies bisher gelungen ist. Diese Kohlenwasserstoffe sind auf der Erde sehr häufig, unter anderem, weil sie bei der Komprimierung und Erhitzung organischer Stoffe entstehen. Kohle enthält PAK, ebenso wie Rauch, Smog und Rohöl.

Die Substanzen sind auch Bestandteil der Staubkörner in den Materiewolken, die zwischen den Sternen treiben, wo sie anhand ihrer Infrarotstrahlung nachgewiesen werden können. Ihr Vorhandensein deutet auf eine hohe Sternentstehungsrate hin, was für eine Galaxie in dieser frühen Epoche des Universums nicht unerwartet kommt.

Verschiedene Sternenwiegen

Auch die Verteilung des Staubs innerhalb der Galaxie konnte man abbilden. Die Kartierung weist auf unterschiedliche Sternentstehungszentren hin; die Ursache für die ungleiche Verteilung ist freilich noch unklar. "Die hohe äquivalente Breite des PAK-Merkmals deutet darauf hin, dass die Sternentstehung und nicht die Akkretion von Schwarzen Löchern die Infrarotemission in der gesamten Galaxie dominiert", berichten die Forscher im Fachjournal "Nature".

Das JWST fing eine Spezialform einer Gravitationslinse ein, einen sogenannten Einstein-Ring. Er entsteht, wenn zwei Galaxien aus Erdperspektive nahezu perfekt ausgerichtet sind. Die Schwerkraft der Galaxie im Vordergrund bewirkt, dass das Licht der Galaxie im Hintergrund verzerrt und vergrößert wird.
Illustration: S. Doyle/J. Spilker

Frühere Analysen deuten darauf hin, dass etwa 15 Prozent des gesamten Kohlenstoffs zwischen den Sternen in Galaxien wie der unseren in PAKs gebunden sind. Der größte Teil davon wabert als Staub im interstellaren Medium umher. In näheren Galaxien wurden diese Stoffe bereits häufiger nachgewiesen. Um sie auch in den ersten Galaxien des Kosmos zu entdecken, brauchte es jedoch das extrem leistungsfähige James-Webb-Weltraumteleskop – und selbst das wäre unter normalen Umständen nicht ausreichend.

Kosmisches Vergrößerungsglas

Die nun vorgestellte Entdeckung war nur möglich, weil das Abbild der Galaxie SPT0418-47 durch eine sogenannte Gravitationslinse enorm vergrößert wird: Ein massereiches Objekt im Vordergrund sorgt für eine deutliche Krümmung der Raumzeit, die Verzerrung wirkt wie ein kosmisches Vergrößerungsglas, das die Leistungsfähigkeit des Teleskops vervielfacht. Im konkreten Fall sorgt eine drei Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie für den Linseneffekt. (Thomas Bergmayr, 11.6.2023)