Alexander Zverev
Tennisprofi Alexander Zverev sorgt für Aufklärung und Aufmerksamkeit für Diabetes. Bei den French Open muss er für eine Insulininjektion den Platz verlassen.
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Alexander Zverev wurde quasi des Platzes verwiesen. Im Achtelfinale der French Open am Montag gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow musste der Deutsche nach dem zweiten Satz den Court Philippe-Chartrier verlassen – und kehrte grantig zurück. "Kannst du mir sagen, was ihr von mir wollt?", fragte er Schiedsrichterin Aurelie Tourte. Was war in den Katakomben passiert?

Zverev ist Diabetiker vom Typ 1, sein Körper produziert nicht genug Insulin. Damit sein Blutzuckerspiegel nicht zu sehr schwankt, muss er sich während seiner Matches Insulin über eine kleine Spritze verabreichen. Falls er das nicht tut, kann der Zucker nicht verstoffwechselt werden; er bleibt im Blut. Ist der Blutzuckerspiegel sehr stark erhöht, kann es zu Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Man spricht dann von einem diabetischen Koma.

Auf Turnieren der ATP-Tour darf sich Zverev das Insulin grundsätzlich auf dem Platz verabreichen. Bei Seitenwechseln setzt er sich, der Blick geht sofort in seine Tennistasche. Vor einigen Jahren wurde ihm vorgeworfen, er würde via Handy unerlaubtes Coaching erhalten. Das war Unsinn, in Wahrheit kontrolliert er seine Blutzuckerwerte.

Insulin steht auf der Liste verbotener Substanzen der Welt-Antidoping-Agentur Wada. Um es einnehmen zu dürfen, braucht Zverev eine Ausnahmegenehmigung, die hat er seit Beginn seiner Profikarriere.

Toilettenpausen

Die Organisatoren in Roland Garros haben Zverev das Spritzen auf den Plätzen verboten. "Beim letzten Mal wurde mir gesagt, dass das als Toilettenpause gilt", sagte Zverev. Pro Match dürfen Spieler nur zweimal den Platz verlassen. Zverev sagt, in einem Fünfsatzmatch müsse er vier- bis fünfmal injizieren: "Wenn ich mich nicht spritze, komme ich in Lebensgefahr."

Sein Verfahren führe gelegentlich zu seltsamen Kommentaren durch Offizielle. "Die sagen mir, das sieht aus, als ob ich mir irgendetwas spritze, als ob ich mich vielleicht dopen würde. Das kann es doch nicht sein." Im Match gegen Dimitrow kam ein Oberschiedsrichter in jenen Raum, in dem sich Zverev das Insulin verabreichte. Der habe regelrecht panisch reagiert und gesagt, er müsse einen Arzt rufen. "Der Arzt wird wahrscheinlich gar nicht wissen, was und wie viel ich mir geben soll", sagte Zverev. Deshalb habe er sich bei Schiedsrichterin Tourte beschwert.

Zverev, der in Paris bisher voll überzeugte, fordert "eine klare Struktur. Ich bin, seit ich dreieinhalb Jahre alt bin, Diabetiker – das ist ja jetzt nichts Neues, das mache ich mein Leben lang." Am Dienstag lenkten die Organisatoren teilweise ein. Verlässt Zverev künftig im Turnierverlauf für die Insulingabe den Platz, gilt das nicht mehr als Toilettenpause.

Im vergangenen Jahr hatte Zverev seine Diabetes-Typ-1-Erkrankung öffentlich gemacht und eine Stiftung unter seinem Namen mit dem Zusatz "Aufschlag gegen Diabetes" gegründet. Er sammelt Spenden für lebensnotwendige Medikamente, die er Entwicklungsländern bereitstellt. Zudem unterstützt die Stiftung Jugendliche mit Diabetes in der Persönlichkeitsentwicklung und in der sportlichen Karriere.

Markus Sauer
Markus Sauer läuft mit einer Insulinpumpe Marathons – gerne auch neun in neun Tagen.
Sauer

Klischees abarbeiten

Dass sich Diabetes und Spitzensport, ja, Extremsport, nicht ausschließen, hat dieser Tage auch wieder der Steirer Markus Sauer bewiesen. Am Sonntag beendete er in Graz seinen neunten Marathon innert neun Tagen. Die Läufe führten den 32-Jährigen in alle Bundesländer sowie in sämtliche Nachbarstaaten. Sauer erhielt vor acht Jahren die Diagnose Diabetes Typ 1. "Seither habe ich alle Klischees, die man als Diabetiker so hört, abgearbeitet." Sauer, der schon vor seiner Diagnose einen Marathon beendet hat und dessen Bestzeit unter vier Stunden liegt, bemüht sich, mit wissenschaftlicher Unterstützung der Medizin-Uni Graz trotz Diabetes im Sport besser zu werden.

Dass Weltstars wie Zverev offen mit ihrer Krankheit umgehen, kann er nur begrüßen, die Empörung des Deutschen über die Behandlung in Paris kann er nachvollziehen. "Es kann ohne Insulin tatsächlich sehr schnell sehr gefährlich werden", sagt er. Sauer selbst wird mittels Katheter und Pumpe, die am Hosenbund befestigt sind, mit Insulin versorgt. "Es gibt auch eine Lösung mit Bauchgurt." Der Blutzuckerwert wird während der sportlichen Betätigung per Chip ständig kontrolliert, die Werte werden auf ein Handy überspielt, also ist auch eine externe Kontrolle möglich. (Sigi Lützow, Lukas Zahrer, 7.6.2023)