Manchmal kann man Potenziale finden, wo man sie im ersten Moment gar nicht vermuten würde. Bei Photovoltaik dürften die meisten an Anlagen denken, die auf Gebäudedächern oder eigenen Aufstellern montiert sind. Das schweizerische Start-up Sun-Ways hingegen will Sonnenenergie wortwörtlich "auf Schiene" einfangen.

Nahe Neuchâtel in der Westschweiz sollen dafür noch im Sommer auf einer Strecke von rund 45 Metern bis zu 60 Paneele ausgelegt. Die Kosten für das Experiment werden laut Techspot mit etwa 525.000 Euro beziffert.

Verlegung per Zug

Zur Installation wie auch zur Demontage kommt laut Plan ein Zug mit umgebauten Anhängern zum Einsatz. Aus dem vorderen Waggon werden die Paneele ins Gleisbett gelegt, der hintere Waggon sorgt für Andruck und dient auch zur Betätigung des Spreizmechanismus, der die Paneele stabil zwischen den Schienen halten soll.

Diese 3D-Animation zeigt, wie die Solarpaneele verlegt werden.
Sun-Ways

Mit den umgebauten Anhängern können bis zu 250 Meter Solarpaneele pro Stunde verlegt werden, wobei jeweils drei Module angebracht werden, ehe manuell nachgeladen werden muss. Man arbeitet aber an einem vollständig neuen Anhängerkonzept, das seine komplette Paneelfracht ohne Unterbrechung ausbringen und so die Verlegungsgeschwindigkeit vervierfachen soll. Nutzen will man Paneele in Standardgröße, was die Kosten niedrig halten soll.

Solarstrom ohne zusätzlichen Platzbedarf

Bei Sun-Ways sieht man das Gleisbett als bisher ungenutzten Platz. Auf rund 5.000 Kilometern – was in etwa der Strecke des gesamten Bahnnetzes der Schweiz entspricht – könnte man auf diesem Weg ein Gigawatt Strom pro Jahr erzeugen. Das entspräche in etwa dem Verbrauch von 750.000 Haushalten.

Freilich eignet sich in der Praxis nicht jeder Streckenabschnitt für die Gewinnung von Sonnenstrom, zumal manche schlicht entlang schattiger Berghänge und Schluchten oder durch Tunnels führen. Für das gesamte europäische Streckennetz kalkuliert man 56 Terawattstunden pro Jahr, was rund zwei bis 2,5 Prozent der typischen EU-weiten Energieproduktion entspräche.

Die im Testlauf gewonnene Elektrizität wird direkt ins Stromnetz eingespeist. In Zukunft, so denkt man, könnte diese Form der Energiegewinnung aber auch genutzt werden, um elektrische Züge anzutreiben. Dazu bräuchte man keinerlei zusätzliche Fläche und ließe die Landschaft ästhetisch unberührt. (gpi, 7.6.2023)

Update, 9. Juni: Laut einer dem STANDARD vorgelegten Auskunft des schweizer Verkehrsministeriums wurde bislang noch bkeine Genehmigung für das Projekt erteilt. Der Text wurde berichtigt, wir bitten um Entschuldigung für den Fehler.