Einmal noch warnte Zeitungsverbandspräsident Markus Mair eindringlich vor dem geplanten ORF-Gesetz, das die Regierung vor dem Sommer beschließen will, mit einem ORF-Beitrag von allen und mehr Onlinefreiheiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich.

VÖZ-Präsident Mair warnt vor dem geplanten ORF-Gesetz:
VÖZ-Präsident Mair warnt vor dem geplanten ORF-Gesetz: "Ein Gesetz, das nicht auf alle Marktteilnehmer gleichermaßen Rücksicht nimmt, setzt das duale Mediensystem allzu leichtfertig aufs Spiel", sagt er bei der Adgar-Gala.
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Der ORF ist schon heute mit gut einer Milliarde Euro Umsatz das weitaus größte Medienunternehmen des Landes, mehr als doppelt so groß wie die größten klassischen privaten Medienhäuser.

"Aufs Spiel gesetzt"

"Ein Gesetz, das nicht auf alle Marktteilnehmer gleichermaßen Rücksicht nimmt, setzt das duale Mediensystem allzu leichtfertig aufs Spiel", appellierte Styria-Vorstandschef Mair Dienstagabend vor rund 500 Menschen aus der Kreativ- und Medienbranche an Regierung, Medienministerin und Mediensprecher der Regierungsparteien. Im Wiener Konzerthaus vergab der Zeitungsverband VÖZ seine Adgar-Statuetten für die beste Werbung in Print und Online. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte mit Verweis auf einen Paralleltermin ab.

Der Verbandspräsident warnte bei der Gelegenheit vor weiteren Verschiebungen der Werbeausgaben in Richtung Digitalkonzerne wie Alphabet/Google, dem Weltwerbemarktbeherrscher, und Meta mit Facebook, Instagram und Whatsapp.

In Österreich ging 2022 bereits etwa gleich viel Werbevolumen an Google und Co wie an klassische Medien, die mit Werbung ihre Inhalte finanzieren. Die Daten lassen sich aus Einnahmen der Republik aus der Digitalsteuer und der Werbeabgabe ableiten. Das Finanzministerium erwartet, dass 2023 schon deutlich mehr Werbegeld an internationale Digitalkonzerne fließt als an klassische Medien.

Online-Spendings an Alphabet, Meta und Tiktok

Mair: "Bereits 90 Prozent der Online-Spendings gehen an die großen internationalen Digitalkonzerne wie Alphabet, Meta und Tiktok – und diese faktische Monopolsituation der großen Digitalplattformen führt zunehmend zu einer Verödung der Medienlandschaft. Auf der Strecke bleiben dabei Medien- und Meinungsvielfalt sowie elementare Leistungen privater Medien wie das Herstellen von Öffentlichkeit und die Verifikation von Nachrichten im ökonomischen Wettbewerb. Zudem gefährdet die aktuelle Entwicklung eine beträchtliche Zahl an Arbeitsplätzen – nicht nur in der Medien-, sondern auch in der Werbewirtschaft."

Mair fordert medien- und ordnungspolitische Maßnahmen, um weiteren Einschnitten in der Medienvielfalt vorzubeugen. Der Präsident des Zeitungsverbands sieht im ORF-Gesetz freilich das Gegenteil: "Die Gebührenfinanzierung des ORF-Onlineangebots bedeutete schon bisher eine Schieflage auf dem österreichischen Medienmarkt; durch die Haushaltsabgabe und die geplante Digitalnovelle wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziell erheblich gestärkt."

Der Verfassungsgerichtshof hat die GIS wegen ihrer Ausnahmen für Streamingnutzung mit Ende 2023 als verfassungswidrig aufgehoben. Ab 2024 müssen alle Haushalte – bis auf besonders einkommensschwache – und Unternehmen – abgesehen von Einpersonenfirmen – einen ORF-Beitrag unabhängig vom Empfang zahlen. Der ORF erhält jährlich 710 Millionen Euro aus dem Beitrag, zudem 70 bis 100 Millionen aus dem Bundesbudget, insbesondere als Abgeltung für entfallenden Vorsteuerabzug.

Und der ORF darf künftig Audio und Video für Online produzieren. Verbandspräsident Mair warnt: "Bereits jetzt stellt das ORF-Onlineangebot, das faktisch einer ,kostenlosen‘ Tageszeitung gleichkommt, ein Hindernis für die so notwendige digitale Transformation des Nachrichtengeschäfts privater Medien dar." Er fordert: "Der ORF muss sich künftig auf seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag fokussieren, mit sendungsbegleitendem audio- und audiovisuellem Content auf der blauen Seite", also ORF.at.

EU-Beschwerde

Der Zeitungsverband hat eine Beschwerde bei der EU-Kommission angekündigt. Der ORF verletze schon jetzt Vorgaben der EU aus einem Beihilfenverfahren gegen die Republik Österreich 2009. Mit dem neuen ORF-Gesetz werde eine EU-rechtswidrige Wettbewerbsverzerrung noch verschärft, dürfte der Zeitungsverband gegenüber den Brüssseler Behörden argumentieren. (Harald Fidler, 7.6.2023)