Stefan Petzner bekannte sich bei der Verhandlung "einsichtig nicht schuldig". Er räumte aber gleichzeitig auch einen Fehler ein.
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Wien – So einen Prozess erlebt auch das Wiener Landesgericht nicht alle Tage. Da wurde Stefan Petzner, einst Spitzenfunktionär des von Jörg Haider begründeten BZÖ, vom eigenen Anwalt als schillernder "Traumtänzer" bezeichnet. Petzner erklärte sich in seinem Verfahren wegen Sozialbetrugs als "einsichtig nicht schuldig" – und räumte dennoch Fehler ein. Und nach dem Schuldspruch drehte der 42-jährige Angeklagte bei der Urteilsbegründung der Richterin trotzig und demonstrativ den Rücken zu und unterbrach sie mit den Worten: "Sie reden einen Blödsinn!"

Später, vor dem Gerichtssaal 303, sprach der sichtlich aufgebrachte Petzner noch von einer "Kamikaze-Richterin" und kündigte "volle Berufung" gegen das erstinstanzliche Urteil an. Petzner wurde jedenfalls nicht rechtskräftig als Sozialbetrüger zu sechs Monaten bedingt verurteilt. Er hat sich laut dem Urteilsspruch im Jahr 2019 in Täuschungsabsicht Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in Höhe von knapp 7.600 Euro erschlichen.

VIDEO: Sechs Monate bedingt für Ex-Politiker Stefan Petzner wegen Sozialbetrugs
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Dabei hatte die Verhandlung noch unspektakulär begonnen. Petzner will in der Rückschau zu seiner Causa bemerkt haben, dass "zweifellos ein Fehler" passiert seien. Konkret hatte der einstige Politiker und aktuelle PR-Berater im Jahr 2019 seine Firma petzner communications e. U. – laut Eigenangaben wegen gesundheitlicher Probleme – ruhend gestellt. Im Frühjahr 2019 hatte Petzner übrigens auch an der ORF-Show "Dancing Stars" teilgenommen.

Auf einen Ratschlag hin habe Petzner Sozialleistungen beantragt: "Es war mir richtig peinlich, zum AMS zu gehen", sagte er vor Gericht. "Ich habe das als persönliche Niederlage genommen." Im Mai 2019 stellte er einen Antrag auf Arbeitslosengeld, drei Monate später einen Antrag auf Notstandshilfe. In den Bezugszeiträumen stellte Petzner aber auch drei Rechnungen – unter anderem für Medien- und Strategieberatung – in Höhe von rund 30.000 Euro. Bei den Sozialgeld-Anträgen machte Petzner aber geltend, dass er kein eigenes Einkommen habe und nicht selbstständig tätig sei. Er kassierte rund 2.170 Euro Arbeitslosengeld und 7.469 Euro Notstandshilfe.

"Da ist zweifellos ein Fehler passiert"

Mit dem Wissen von heute sagte Petzner: "Da ist zweifellos ein Fehler passiert." Damals habe er die AMS-Unterlagen aber richtig ausgefüllt. "Ich war damals der Überzeugung, dass das so passt." Er sei jedenfalls "kein Zahlen- und Mathematikmensch", bei Anträgen und Rechnungen gebe es bei ihm sicherlich Verbesserungsbedarf. Dass er keine Betrugsabsichten gehabt habe, wollte Petzner damit belegen, dass er dem AMS im Jahr 2021 auch seinen Einkommensteuerbescheid aus dem Jahr 2019 vorgelegt habe. "Ich habe nicht nur die Hose ausgezogen, sondern die Socken und die Boxershort dazu", hielt Petzner fest.

Das AMS war hellhörig geworden, nachdem es von der Sozialversicherung informiert worden war, dass Petzner im Jahr 2019 pflichtversichert selbstständig war. Ein Prüfverfahren wurde eingeleitet. Doch Petzner kam den darauf folgenden Rückzahlungsaufforderungen des AMS nicht nach und verteidigte sich damit, dass ihn die Briefe wegen Umzügen nicht erreicht hätten. Die Anzeige des AMS erfolgte dann am 28. Februar 2023. Weil sich Petzner rund um diesen Zeitraum auch in einem Insolvenzverfahren befand, sei ihm abgeraten worden, zu zahlen – weil es sonst eine Gläubigerbevorzugung des AMS gebe, verteidigte sich Petzner. Am 21. Mai 2023 habe er eine erste Barquote aus dem Sanierungsplan bereits an das AMS überwiesen.

Petzners Anwalt regte Diversion an

Im Verlauf des Prozesses lieferte sich Petzner mehrmals kurze Wortduelle mit der Richterin, die ihn auch ermahnte. Diese fragte Petzner auch, ob er glaube, dass man Notstandshilfe beziehen kann, wenn man ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze habe. Petzner antwortete: "Nein." Die Geringfügigkeitsgrenze betrug im Jahr 2019 rund 464 Euro pro Monat. Demgegenüber standen Rechnungen von Petzner in Höhe von 30.000 Euro in diesem Jahr.

Petzners Rechtsanwalt Meinhard Novak regte eine diversionelle Erledigung des Verfahrens an und sprach von einer "tatsachengeständigen Verantwortung" Petzners. Bei einer möglichen Verurteilung solle jedenfalls darauf Bedacht genommen werden. Petzner sei kein Geschäftsmann, er habe keine böswilligen Absichten gehabt. Der Staatsanwalt sprach sich hingegen gegen eine Diversion aus.

Stefan Petzner wurde wegen schweren Betrugs erstinstanzlich zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt.
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Die Richterin verurteilte Petzner wenig später wegen schweren Betrugs zu sechs Monaten bedingter Haft – unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren. Der Strafrahmen betrug bis zu drei Jahre Haft. Mildernd wurde die Zahlung der Quote an das AMS gewertet, erschwerend hingegen ein Urteil aus dem Jahr 2017: Petzner war in einem Untreueprozess um eine BZÖ-Wahlkampfbroschüre in Klagenfurt zu zehn Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Hier war die Probezeit laut der Richterin noch offen.

Petzner hörte sich die Urteilsbegründung demonstrativ abgewendet von der Richterin an und drehte sich schlussendlich auch ganz um. Trotz Aufforderung der Richterin, sich wieder zurückzudrehen, kam Petzner dieser nicht nach. "Ich habe keine Verpflichtung dazu", sagte er trotzig – ehe er sie später mit den Worten "Sie reden einen Blödsinn" unterbrach und volle Berufung ankündigte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Petzner war erst im Februar 2023 mit seinem Unternehmen in die Insolvenz geschlittert. Das Insolvenzverfahren ist mittlerweile wieder aufgehoben, ein Sanierungsplan wurde angenommen. Petzners Gläubiger erhalten eine Quote von 25 Prozent. (David Krutzler, 7.6.2023)