Für Österreich ist es eine Premiere. Der Gesundheitszustand von LGBTQI+-Personen, oder, wie Conny Felice von der Hosi Salzburg bei der Pressekonferenz sagte, "queeren" Mitbürgerinnen und Mitbürgern, hat bisherige hiesige Regierungen im Unterschied zu offiziellen Stellen in 14 anderen europäischen Staaten nicht eigens interessiert. Das sei nunmehr anders, betonte Minister Johannes Rauch (Grüne) bei der Vorstellung des "LGBTQI+ Gesundheitsbericht 2022" am Mittwoch im Villa-Vida-Café in Wien. "Die Belastungen der LGBTQI+-Personen ist vielfältig. Sie reichen von Gewalt in der Kindheit hin zu sogenanntem Minderheitenstress. Wer sich etwa im Gesundheitwesen diskriminiert fühlt, geht seltener zum Arzt", sagte Rauch.  

Der Bericht widmet sich den spezifischen gesundheitlichen Problemen von homo- und bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Österreich. Deren gibt es viele, obwohl es keine Erhebungen über die konkreten Zahlen gibt. Internationale Experten gehen von fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung aus. Hierzulande sind das das 450.000 und 900.000 Personen – denen es, wie der Bericht des Gesundheits- und Sozialministeriums zeigt, weitaus schlechter geht als der Bevölkerung insgesamt.

Besserer Zugang von LGBTQI+-Personen zum Gesundheitswesen ist noch Work in Progress.
AFP/Juri Cortez

Queere Teenager besonders belastet

Konkret sagten nur 60 Prozent der 1047 im vergangenen Jahr online Befragten, ihr Gesundheitszustand sei sehr gut oder gut; eine repräsentative Stichprobe war wegen des Unwissens über die Grundgesamtheit nicht möglich. In der Gesamtbevölkerung stellten sich laut der zum Vergleich herangezogenen, repräsentativen ATHIS-Studie aus dem Jahr 2019 74 Prozent der Gesamtbevölkerung ein solch positives Zeugnis aus. Elf Prozent der queeren Befragten charakterisierten ihre Verfassung als schlecht und sehr schlecht. Laut ATHIS-Studie sagten das in der Gesamtbevölkerung sechs Prozent.  

Als besonders negativ bezeichneten LGBTQI+-Personen im Alter von 15 bis 19 Jahren ihren Gesundheitszustand. Dass er sehr gut oder gut sei, meinte lediglich ein Drittel (33 Prozent). Über alle Altersgruppen hinweg gab rund ein Drittel der queeren Befragten an, im Jahr vor Studie an einer chronischen Erkrankung wie Allergie, chronischen Rückenschmerzen, Asthma, Diabetes oder Krebs gelitten zu haben.

Als dauerhaft körperlich oder psychisch krank bezeichneten sich  22 Prozent aller befragten LGBTQI+-Personen. Besonders intergeschlechtliche Menschen – Personen, die Variationen der körperlichen Geschlechtsentwicklung aufweisen – zeigten sich hier als belastet. 42 Prozent antworteten auf die diesbezüglich Frage mit Ja.

Hälfte der Befragten vermeidet Ärztebesuch

Um angesichts dessen die queere Community besser zu unterstützen, brauche es Änderungen im Gesundheitswesen, sagte Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH bei der Studienvorstellung. Dass die Hälfte der Befragten angab, Behandlungen wegen negativer Erfahrungen in Ambulatorien, Spitälern oder mit der Ärzteschaft vermieden zu haben, zeige dies. Das Gesundheitspersonal brauche Informationen, um einen diskriminierenden Umgang mit LGBTQI+-Personen auszuschließen.

Etwa wenn, wie Minister Rauch sagte, "Paul, ein Transmann, Zahnschmerzen hat, aber bei seinem  letzten Zahnarzttermin als 'Frau Huber' ins Behandlungszimmer gerufen wurde. Er lässt die Behandlung so lange anstehen, bis es nicht mehr geht und er eine Notoperation braucht". Um derlei künftig zu verhindern, hat das Gesundheitsministerium eine Infobroschüre für Mitarbeitende im Gesundheitswesen produziert. Titel: Vielfalt willkommen heißen"

Umstrittene Vielfalt – auch bei Studienvorstellung

Diesem Anspruch würden heute vielfach Hürden gegenüberstehen, sagte Rauch. "Wir leben in einer Zeit, wo es Schritte zurück gibt", sagte er und erinnerte an die Proteste gegen die Lesung einer Dragqueen für Kinder in dem Café, in dem die Studie vorgestellt wurde. Wie um diese Worte einzulösen, wandte sich gleich das erste Statement in der Fragerunde nach der Präsentation gegen das Gendern.

In Deutschland hätten 700 Sprachwissenschafter die öffentlich-rechtlichen Sender aufgefordert, das Gendern sein zu lassen, erläuterte die Fragende, eine Journalistin. Wie wolle er, Rauch, es nun halten? Er werde trotzdem dabei bleiben, antwortete der Minister: "Als Ausdruck der Vielfalt". (Irene Brickner, 7.6.2023)