Das Haus Ventúrska 18 ist ein kleines Palais in der Fußgängerzone der Altstadt. Von der Anlegestelle des Schnellboots aus Wien ist man zu Fuß in fünf Minuten dort, vom Bahnhof Petržalka (eine Stunde Fahrzeit ab Wien Hauptbahnhof) dauert es per Uber kaum länger. Aber Achtung: Wer nicht rechtzeitig reserviert hat, braucht die Klingel am Tor des kleinen Innenhofs gar nicht zu drücken – in die Omakase-Sushibar Edomae Matsuki wird nur eingelassen, auf wen bereits gewartet wird.

Edomae-Matsuki
Sushimeister Peter Horvát (re.) und Takeushi Kazune am Werk. Die Theke aus einem Stück japanischer Hinoki-Zypresse ist für sich schon eine Attraktion.
Gerhard Wasserbauer

Hier muss man echt herwollen und bereit sein, in Vorleistung zu gehen, um die steile Treppe hinabsteigen zu dürfen, die sich vom Innenhof in einen uralten Gewölbekeller windet. Dort ist dann alles sehr ruhig, gemessen, kompakt und doch von souveräner Heiterkeit – kennt man so nicht von tiefen Kellern. Es duftet dezent nach Zedernholz und Zypresse. Die Mitarbeiter tragen Maske, wie das in Japan heute üblich ist.

Theke für sieben

Der Gastraum wird ganz von der Theke eingenommen, die aus einer massiven, gut acht Zentimeter dicken Planke aus japanischer Hinoki-Zypresse (kostet so viel wie ein besseres Auto) gehobelt ist. Dahinter ordinieren zwei Köche, davor stehen sieben Stühle, so schlicht wie bequem. Dekor gibt es nicht, die Reduktion aufs Wesentliche ist maximal. Ein japanischer Geschäftsmann in Bratislava hat sich hier den Wunsch nach einer Omakase-Sushibar erfüllt, neben seinem Landsmann Takeushi Kazumne ist mit Peter Horvát, der einen Abschluss in East Asian Studies hat, fließend Japanisch spricht und die University of Sushi, einen mehrmonatigen Kurs in Japan, besucht hat, auch ein Slowake hinter der Theke. Gut: Der Mann spricht Englisch.

Speisekarte gibt es keine, etwaige Unverträglichkeiten wurden im Zuge der Reservierung abgeklärt. Was gegessen wird, bestimmt hier nicht der Gast – der Koch wählt, was in bester Qualität verfügbar ist. Das ist das Prinzip Omakase, wie es in japanischen Sushibars gelebt wird. Es heißt übersetzt "Ich überlasse es Ihnen" und ist gleichermaßen Vertrauensbeweis wie Herausforderung für den Koch.

Warme, duftende Tücher werden gereicht und die Weinkarte. Da stehen lauter gute Sachen drauf, vieles aus Österreich, manches aus Frankreich, Sake aus Japan, Klassisches ebenso wie Naturweine. Dann geht es auch schon los. Gemüse, in Dashi eingelegt mit etwas japanischem Senf und Miso, ist der erste Bissen: knackig, pur, frisch. Das Umami des Suds scheint den Eigengeschmack des Grünzeugs zu verstärken. Dann gegrillte Goldbrasse, souverän knusprig an der Haut, wird mit Shoyu bepinselt und Sesam-Zitrus-Chili (Shichimi Togarachi) bestäubt, bevor der Meister den Happen an den Gast weitergibt. So geht das den ganzen Abend: Kunstvoll werden die Preziosen vor den Augen des Gastes vollendet und eine nach der anderen zum Genuss überreicht.

Wohlig kohlig

Mairübe, in Dashi mit Mangalitza gedünstet und in prächtiger Keramik heiß serviert, ist ein irrsinnig wohliges, warmes und wonniges, herrlich kohliges Ankommen. Dann wird’s Zeit für rohen Fisch. Erst Sashimi, vom Blauflossenthun und vom Wolfsbarsch. Die letzte Scheibe, so der Meister, sollte man in das breite Shisoblatt wickeln. Toller Schmelz, aber auch unleugbare Flachsen hat der edle Großfisch. "Wir bekommen ihn hier nur aus Spanien, bei Ware aus Japan wäre das anders", sagt der Koch.

Essen im Edomae-Matsuki in Bratislava.
Gerhard Wasserbauer
Essen im Edomae-Matsuki in Bratislava.
Gerhard Wasserbauer

Roher Kalmar wird in hauchzarten Schimmer geschnitten und auf den feuchten Reis gepackt, pure Seide mit einem Hauch Wasabi. Goldbrasse, in Kombu gereift und mit Shoyu glasiert, kann es aber auch. So geht es dahin, Happen auf Happen, erst Hamachi mit weißer Shoyu, dann japanische Jakobsmuschel im knusprigen Noriblatt, dann nochmals Bluefin in verschiedenen schmelzigen, satten Bissen. Marinierte Makrele mit Yuzu, Shiso und Reis im Knusper-Nori entwickelt boshaft fette Geilheit, eine ziemliche Glücksdusche an Konsistenz und Aroma. Irgendwann, man ist längst sehr satt, ist es Zeit fürs Dessert. An unserem Abend ist das ein Karamellflan, ganz klassisch französisch und unwahrscheinlich nah an der Perfektion. An den wird man, wie an den ganzen Abend, im Zug zurück nach Wien noch denken, auch in den Tagen danach. Die Hauptstadt ums Eck wird oft noch immer nicht ganz für voll genommen. Das ist, wie stets, nur unser eigener Schaden. (RONDO, Severin Corti, 08.06.2023)

Essen im Edomae-Matsuki in Bratislava.
Gerhard Wasserbauer