Die Vergabe von Wohnbaukrediten ist zwar seit Mitte des Vorjahres eingebrochen, allerdings greifen die neuen Kreditnehmer dabei jetzt immer öfter zu riskanteren, variabel verzinsten Finanzierungen. In der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ist man offensichtlich besorgt, dass viele dieser Finanzierungen zu den Problemfällen von morgen werden könnten. Daher warnt Vizegouverneur Gottfried Haber vor "Fehlerwartungen" und appelliert an Interessierte, im Normalfall fix verzinste Kredite zu wählen. "Wer jetzt auf sinkende Zinsen setzt, sollte auch in der Lage sein, steigende Zinsen zu verkraften", betont er.

Haus Baustelle Zinsen
Trotz starker Zinsanstiege sind bei Wohnbaufinanzierungen derzeit wieder vermehrt variable Kredite gefragt - offenbar wegen der Hoffnung auf ein bald wieder sinkendes Zinsniveau.
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Denn wer derzeit zu einen variablen Kredit greife, setze auf bald wieder abnehmende Zinsen. Ein Niveau wie vor einem Jahr, also vor den Zinserhöhungen der EZB um bisher insgesamt 3,75 Prozentpunkte? "Das scheint mir ein sehr unrealistisches Szenario zu sein", sagt Haber, und sei auch "nicht kompatiabel" mit den Aussagen von EZB-Chefin Christine Lagarde. Sie betonte mehrfach, die Geldpolitik so weit und lange zu straffen, bis das zweiprozentige Inflationsziel der Notenbank erreicht ist. Zum Vergleich: Im Mai lag die Teuerung im Euroraum bei 6,1 Prozent. 

Fixe Zinsen "bessere Wahl"

"Daraus kann man eine Zinserwartung bilden", ergänzt Haber. Man möge also genau prüfen, ob eine Fixzinsvereinbarung doch "die bessere Wahl" sei. Zumal diese gar nicht mehr teurer seien, mitunter gebe es sogar schon einen Aufschlag bei variablen Krediten. Trotz deren hohen Anteils am Bestand von etwa 50 Prozent gebe es derzeit noch keine erhöhten Ausfallsraten. Abgeschwächt werde das künftige Risiko dadurch, dass vor allem Menschen höherem Einkommen Kredite aufnehmen. Im Mittel hätten 14 Prozent aller Haushalte einen Wohnkredit - im untersten Einkommensfünftel sind es vier Prozent, im obersten 17 Prozent. "Kredite haben vor allem Haushalte genommen, die einen größeren finanziellen Spielraum haben", erklärt Haber.

Dennoch, wegen der höheren Belastung für Kreditnehmer sei zu erwarten, dass auch die Zahl der Kreditausfälle künftig höher ausfallen werde. Derzeit sehe man einen solchen Anstieg aber noch nicht, sagte Haber. Wann die Quoten für notleidende Kredite ansteigen werden, sei jedoch schwer vorherzusagen. 

Einbruch auf ein Drittel

Nach der Einführung der strengeren Vergaberichtlinien (Kim-VO) ist das Neugeschäft seit vergangenem Sommer bei Wohnkrediten deutlich gesunken, von mehr als drei Milliarden Euro monatlich auf nur noch 900 Millionen Euro im April. Haber betont aber, dass sie Monatswerte stark schwanken und sieht angesichts der zuvor starken Aufwärtsdynamik bei der Vergabe "keinen astronomischen Einbruch" im Neugeschäft, Verglichen mit dem Vorjahr sei es zwar deutlich weniger, aber dadurch wurde nur der vorherige Anstieg kompensiert.

Für die Banken sind die gestiegenen Zinsen und das rückläufige Kreditwachstum bisher kein Problem, vielmehr haben sie wegen höherer Zinserträge im Vorjahr Rekordgewinne eingefahren, nämlich insgesamt 10,2 Milliarden Euro. Neben Überschüssen, die etwa zur Hälfte aus dem gut laufenden Geschäft Zentral-, Ost- und Südosteuropas stammen, spielten jedoch auch Einmaleffekte wie Erlöse aus aufgegebenen Geschäftsbereichen eine Rolle. Haber geht daher davon aus, dass sich die Ergebnisentwicklung der Banken in den kommenden Jahren nicht so fortsetzen werde. Die Nationalbank rät heimischen Kreditinstituten daher zur Zurückhaltung bei Gewinnausschüttungen. (Alexander Hahn, 7.6.2023)