Nicht nur Donald Trump hat ein starkes Ego – auch Mike Pence verfügt über ein solches. Und es ist zudem noch ein zutiefst verletztes Ego. Als Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika von 2017 bis 2021 war der durch und durch evangelikal beseelte Republikaner aus dem Bundesstaat Indiana Trumps Stellvertreter im Weißen Haus – loyal, oft bis zur Selbstverleugnung.

Mike Pence fordert Donald Trump heraus – ein Match mit besonderer Symbolik.
AP Photo/Alex Brandon

Doch Trump ließ ihn nach verlorener Wahl im Herbst 2020 fallen. Für viele radikale Anhänger des vermeintlich um den Wahlsieg Betrogenen wurde der Pragmatiker Pence spätestens dann zum Verräter, als dieser in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Senats nicht verhindern wollte, dass der Wahlsieg von Joe Biden im Kongress formell bestätigt wird. Die Rufe von Trump-Anhängern beim Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021, den "Verräter" Pence zu töten, zu lynchen und "aufzuknüpfen", während sich dieser nur mit Müh und Not in Sicherheit bringen konnte, sind für Millionen Menschen in schauerlicher Erinnerung.

Offene Rechnung

Wenn sich Pence also nun entschlossen hat, gegen Trump in den Ring zu steigen, um die Kandidatur der Republikanischen Partei für die US-Wahl 2024 zu bekommen, so geht es hier nicht nur um einen persönlichen Karriereplan, sondern auch darum: Pence hat eine persönliche Rechnung mit Trump zu begleichen.

Die Kandidatur von Pence lässt außerdem erkennen, dass es eine beträchtliche Zahl an stramm konservativen Trump-Gegnern in der Partei geben dürfte, die nicht unbedingt darauf bauen, dass sich ihr Favorit, der ebenfalls weit rechts stehende Ron DeSantis aus Florida, durchsetzen kann. Für diesen Fall könnte der ehemalige Vizepräsident – zumindest eine Zeitlang – ein guter Plan B sein.

In den Reigen der parteiinternen Kandidaturen gegen Trump hat sich aber auch der ehemalige Gouverneur von New Jersey Chris Christie eingefügt. Er gilt ebenso wie Nikki Haley, die ihre Kandidatur schon vor Wochen bekanntgab, durchaus als einflussreiche Größe bei der "Grand Old Party".

Viel Konkurrenz

Insgesamt sind schon jetzt 14 Kandidaten und eine Kandidatin offiziell im Rennen um die republikanische Kandidatur, die final im Sommer 2024 entschieden wird. Weitere acht bis zehn Personen überlegen noch, ob sie sich das antun wollen oder können – unter ihnen dem Vernehmen nach John Bolton, Trumps ehemaliger Sicherheitsberater im Weißen Haus, und Rick Perry, früherer Langzeit-Gouverneur von Texas.

Donald Trump steht damit vor einer Situation, wie er sie schon 2016 vorfand: Er ist nicht der alles überstrahlende, unumstrittene Einzelkandidat, der auf dem Schild in die Arena getragen wird: Nein, er muss sich erst gegen eine große Zahl an teilweise sehr ernst zu nehmenden Kontrahenten durchsetzen.

Es ist mehr als eine nur vage Vermutung, dass Trump, die Selbstverherrlichung und Selbstbespiegelung in Person, "not amused" ist über diese Konkurrenzsituation. Er, der mit seiner frühen Kandidatur allen anderen Widersachern den Mut und den Wind aus den Segeln nehmen wollte, muss noch einmal eine skeptische, teils feindselig gestimmte Partei hinter sich versammeln.

Ultimative Motivation

Aber Trump wäre nicht Trump, wenn er in dieser Herausforderung nicht eine zusätzliche Motivation sehen würde. Wir, das globale Publikum, dürfen uns also auf einen besonders spannenden und mit Sicherheit auch harten republikanischen Vorwahlkampf einstellen. In diesem werden auch Trumps laufende Anklagen und weitere juristische Probleme zur Sprache kommen. Diese sind Munition nicht nur für gemäßigte Republikaner, sondern auch und gerade für die Gegner und Gegnerinnen Trumps am rechten Rand der Partei.

Für die Demokratische Partei, die mit Amtsinhaber Joe Biden antreten wird (allfällige Gegenkandidaturen wie jene von Robert Francis Kennedy junior und Marianne Williamson sind bedeutungslos), ist der frühe Machtkampf bei den Republikanern möglicherweise eine gute Nachricht. So kann sich das Team rund um Biden verstärkt auf jene Wählerinnen und Wähler konzentrieren, wo die Wahlen, so wie immer, tatsächlich gewonnen oder verloren werden: Bei den vielen Millionen Gemäßigten und Unentschlossenen. (Gianluca Wallisch, 7.6.2023)