Kika/Leiner
Erst in der Vorwoche hatte Signa rund um René Benko die Kika/Leiner-Möbelhäuser verkauft.
APA/EVA MANHART

Wien/St. Pölten – Wenn es bergab geht, geht es schnell. Nur wenige Tage nach dem Verkauf des operativen Kika/Leiner-Geschäfts an Handelsmanager Hermann Wieser und der Immobilien des Möbelhandelsunternehmens an Supernova-Eigentümer Frank Albert durch die Signa Retail Gruppe rund um den Tiroler Investor René Benko folgt nun das Insolvenzverfahren, über das die Sanierung des Rests der Gruppe erreicht werden soll. "Nach Prüfung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens wird die Restrukturierung des Unternehmens über ein Sanierungsverfahren stattfinden, das kommende Woche angemeldet wird", teilte Kika/Leiner am Mittwoch in einer Aussendung mit. Wie DER STANDARD erfahren hat, soll der Insolvenzantrag samt Sanierungsplan am Dienstag am Gericht in St. Pölten eingebracht werden; in der niederösterreichischen Landeshauptstadt hat die Leiner & Kika Möbelhandels GmbH ihren Sitz.

VIDEO: Kika/Leiner - 23 Filialen schließen, 1.900 Mitarbeiter verlieren Job
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Das Maßnahmenpaket zur Rettung des Unternehmens werde – wie kommuniziert – "unverändert umgesetzt", hieß es vom Unternehmen. Dieses Maßnahmenpaket ist sozusagen der Hauptteil des Sanierungsplans und wurde am Dienstag vom Unternehmen veröffentlicht. Demnach hat der neue Eigentümer des operativen Geschäfts der Möbelkette angekündigt, 23 von 40 Standorten per Ende Juli zu schließen und 1.900 von 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen. Für Härtefälle werde man Lösungen finden, hieß es aus dem Unternehmen. Auch die Zentralabteilungen und die Verwaltung sollen "erheblich" verkleinert werden.

"Wesentlicher Teil der Mitarbeiter" Ende Juli gekündigt

"Die Kündigungen werden entsprechend den rechtlichen Rahmenbedingungen (Kündigungstermine, -fristen) erfolgen. Ein wesentlicher Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird mit Ende Juli 2023 gekündigt werden", zitierte die APA am Mittwoch einen Unternehmenssprecher. Zuvor hatte der bereits gemeint, dass alle Aufträge wie bestellt ausgeführt und auch Anzahlungen und Gutscheine weiter ihre Gültigkeit behalten würden. Am Mittwoch hieß es zudem, dass "alle geleisteten Anzahlungen und die erworbenen Gutscheine garantiert" werden und weiterhin in allen Kika/Leiner-Filialen eingelöst werden können. Auch sollen die Bonuspunkte erhalten bleiben.

Die Möbelhausgruppe hatte erst vorige Woche den Eigentümer gewechselt. Die Signa-Gruppe rund um René Benko hatte die Gruppe mit ihren rund 40 Standorten erst 2018 erworben und nun in zwei Schichten verkauft: Die Immobilien gingen an die Supernova-Gruppe Alberts und das operative Handelsgeschäft an Wieser.

VKI rät, Gutscheine schnell einzulösen

Kika/Leiner will in Zusammenarbeit mit Unternehmen aus Handel und Gewerbe wie Obi, Billa, Bipa, Penny, Tedi, Müller, Deichmann, Action und NKD eine Jobplattform einrichten, damit allen vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeitern ein Jobangebot gemacht wird. Von den frei gewordenen Fachkräften profitieren wollen auch die Supermarktketten Spar, Rewe (u. a. Billa) und Lidl. Sie unterbreiteten bereits allen gekündigten Kika/Leiner-Mitarbeitern per Aussendung ein Jobangebot. Interessierte könnten sich jederzeit bewerben.

"Bei Gutscheinen würde ich dringend empfehlen, die jetzt noch schnell einzulösen, und zwar bei Dingen, die man gleich mitnehmen kann", sagte VKI-Chefjurist Thomas Hirmke am Mittwoch in der ORF-Sendung "Aktuell nach eins". Nach Anmeldung der Insolvenz müssten Gutscheinbesitzer diesen als Forderung im Insolvenzverfahren anmelden, und dies zahle sich meist nicht aus. Hirmke rät auch dazu, keine Anzahlungen mehr zu tätigen.

Altlasten und Zukunftshoffnung

Die finanzielle Situation des Unternehmens führen die neuen Unternehmer auf die Altlasten zurück, wie berichtet, haben sie da zum Beispiel Managementfehler ins Treffen geführt. Wie DER STANDARD eruiert hat, sollen die Verbindlichkeiten bei mehr als 300 Millionen Euro liegen, die Aktiva bei rund 150 Millionen Euro. Das Unternehmen hatte am Dienstag ja bekanntgegeben, die Gruppe mit einem Verlust von 150 Millionen Euro übernommen zu haben. Der Kaufpreis fürs operative Geschäft lag dem Vernehmen nach bei einem symbolischen Euro. Die Supernova von Frank Albert, die auf Entwicklung und Vermietung von Fach-, Bau- und Shoppingzentren spezialisiert ist, dürfte unter 400 Millionen Euro für die Immobilien an die Signa Gruppe überwiesen haben. Offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht, die Vertragsparteien haben Stillschweigen über den Kaufpreis vereinbart.

Wie es nun weitergeht: Die 23 Standorte, die mangels Zukunftsaussichten geschlossen werden, werden geräumt an den Immobilieneigentümer Supernova zurückgegeben und von Supernova verkauft oder weitervermietet. Interessenten dürfte es genug geben, alle großen Player im österreichischen Handel sollen bereits ihr Interesse angemeldet haben: ob die Konkurrenz aus dem Möbelhandel oder die großen Lebensmittelketten wie Spar oder Rewe. Oft sollen es auch Nachbarn der bisherigen Kika- und Leiner-Filialen sein, die Lust auf Zukäufe bzw. Ausdehnung haben, neben ihnen wird wohl auch der schwedische Möbelriese Ikea die Präsentationsmappen des Verkäufers bekommen. Die ersten Gespräche mit Interessentinnen und Interessenten dürften gerade beginnen, Ziel soll es sein, die Standorte bis zum kommenden Herbst verwertet zu haben.

Gericht St. Pölten am Zug

Wie derlei Transaktionen laufen, weiß man aus dem Verkauf der 2015 pleitegegangenen Baumax-Gruppe an Alberts Supernova. Er hat damals rund ein Dutzend Standorte verkauft, etliche davon an Hagebau. Die meisten anderen Standorte wurden an den Baumarktbetreiber Obi vermietet.

Doch zunächst ist nun einmal das St. Pöltner Gericht am Zug, das über die Genehmigung des Sanierungsplans zu entschieden hat. Bei Kika/Leiner ist man laut Aussendung überzeugt davon, dass die Fortführung des Unternehmens gesichert sei. Vergangenheit hat der Leiner-Teil der Gruppe jedenfalls viel: Das Unternehmen wurde im Jahr 1910 in St. Pölten gegründet, als Rudolf Leiner und seine Frau Therese ein Bettwarengeschäft am St. Pöltner Rathausplatz übernahmen. Begonnen haben sie mit dem Verkauf von Bettfedern, Daunen, Matratzen, Decken und Tuchenten – und Eisenmöbeln. (Renate Graber, 7.6.2023)