Der chinesische staatliche Ölkonzern China National Petroleum Corporation hat mit Bohrarbeiten der Superlative begonnen. Im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang soll mehr als elf Kilometer in die Tiefe gebohrt werden. Das Megaprojekt begann bereits vergangene Woche. Wenn es gelingt, wäre die Bohrung eine der tiefsten der Welt. Nach Angaben der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua soll das wissenschaftliche Erkenntnisse bringen und tiefengeologische Daten über die Evolution der Erde liefern. Der Hauptzweck ist aber ein anderer: die Suche nach ultratiefen Bodenschätzen.

Die Tiefenbohrung im Tarimbecken soll im Rekordtempo vorangehen, keine eineinhalb Jahre werden dafür veranschlagt.
Xinhua/Li Xiang/EPA

Mit geplanten 11.100 Metern wäre das Bohrloch in der ölreichen Taklamakan-Wüste eines der tiefsten der Erde. Das sogenannte Kola Super Deep Borehole auf der russischen Halbinsel Kola ist mit 12.262 Metern noch tiefer, die Bohrung dauerte dort allerdings mehr als 20 Jahre. Das chinesische Projekt soll in Rekordzeit entstehen, weniger als eineinhalb Jahre werden dafür veranschlagt. Technisch sei das eine große Herausforderung, sagte Sun Jinsheng von der chinesischen Akademie für Ingenieurwesen zu Xinhua und verglich die Schwierigkeit "mit einem großen Lastwagen, der auf zwei dünnen Stahlseilen fährt." Die Gerätschaften müssen Temperaturen von bis zu 200 Grad Celsius und einem drastischen Druckanstieg standhalten.

China startet bislang tiefstes Bohrprojekt
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Ultratiefe Öl- und Gasvorkommen

Nach Angaben von Quanyou Liu von der Universität Peking soll die Bohrung die Gesteinsschichten aus dem Kambrium erreichen, die vor mehr als 500 Millionen Jahren entstanden sind. Das Bohrprojekt könne Einblicke in die einzigartige Geologie und Sedimentschichten des Tarimbeckens geben, in dem die Wüste liegt. Geologen gehen davon aus, dass das Becken vor etwa einer Milliarde Jahre entstanden ist. 

Das Hauptziel der Bohrung dürfte aber nicht wissenschaftlicher Natur sein. Vielmehr soll untersucht werden, on es in den sehr tiefen Schichten noch Öl- und Gasvorkommen gibt. Davon geht auch der Geowissenschafter Edward Sobel von der Universität Potsdam aus. "Es sieht eher wie ein industrielles Ölbohrprojekt denn wie ein wissenschaftliches Bohrprojekt aus", sagte Sobel zum "New Scientist". Bei Forschungsbohrungen würde man versuchen zu vermeiden, auf Gas oder Öl zu stoßen. 

Erst vor wenigen Wochen hatte Sinopec, Chinas größtes Raffinerieunternehmen, das ebenfalls am aktuellen Projekt beteiligt ist, bei einer Explorationsbohrung in mehr als 8.500 Meter Tiefe beträchtliche Öl- und Gasströme gefunden. Chinas Präsident Xi Jinping hatte 2021 zur stärkeren Erforschung und Ausbeutung der "tiefen Erde" aufgerufen und  geologische Tiefenerkundungen zu einem strategischen Eckpfeiler des chinesischen Wissenschaftsprogramms erklärt. Das wurde auch mit der Notwendigkeit begründet, dass China seine Abhängigkeit von Rohstoffen aus dem Ausland verringern müsse. (dare, 8.6.2023)