Andreas Babler will als Parteichef auch die SPÖ umkrempeln.
Heribert Corn

Andreas Babler ist neuer Parteichef der SPÖ. Und aus dieser Position heraus hat er nicht nur inhaltliche Anliegen. Auch die Partei will der neue Vorsitzende umkrempeln. Besonders den Mitgliedern soll in Zukunft eine größere Rolle zukommen. Aber wie sieht Bablers Basisdemokratie eigentlich aus? Wo sollen die Genossinnen und Genossen in Zukunft mitentscheiden können? Und was davon gibt es schon in den anderen Parteien?

Parteitag und Basistour

Im Herbst, das kündigte Babler bei seiner Antrittsrede am Dienstag erneut an, solle ein neuerlicher Parteitag stattfinden. Er will den Bundesparteitag, der eigentlich 2024 stattfinden soll, vorverlegen. Dort will sich Babler den Rücken von den Delegierten stärken lassen, bevor er in den Wahlkampf geht. Planmäßig findet im Herbst 2024 die nächste Nationalratswahl statt. Laut einem Plan zur Einigung der Partei, den Babler am ersten Tag der Mitgliederbefragung vorlegte, solle es auch einen "Einigungskongress" geben, um die Schwerpunkte für das Wahlprogramm festzulegen. Dieser sollte im November stattfinden. Ob es sich dabei um ein und dieselbe Veranstaltung handelt, ist unklar - zuletzt mischte der Traiskirchener die Begrifflichkeiten.

Beim Parteitag reichten sich die Konkurrenten Andreas Babler und Hans Peter Doskozil die Hand. Damals dachten beide noch, Doskozil habe gewonnen.
Heribert Corn

Ganz oben auf dem Plan stand aber die "Basis-Tour" durch jeden Bezirk Österreichs. Den Start seiner neuerlichen Rundreise kündigte Babler für August an. Es wäre die Fortsetzung von Bablers Besuchen in den Bundesländern, die er im internen Wahlkampf gestartet hatte. Nach dem Ende der Mitgliederbefragung machte er eine Tour-Pause. Stattdessen konnten sich Menschen für "Andis Sprechstunde" anmelden und mit ihm telefonieren. Auch bei seiner neuerlichen Tour soll es um die Zukunft der SPÖ auf dem Weg zu einer "Mitmach-Partei", die Wahlen gewinnt, gehen. 

Andreas Babler bei einem Stopp auf der Basis-Tour.
Heribert Corn

Dafür brauche die SPÖ aber auch zusätzliche Mitglieder, ist sich der Niederösterreicher sicher. Rund 9.000 Menschen waren für das Basisvotum der Partei eingetreten. Nun will der neue Parteichef weiter um Anhänger werben. Er plant eine Mitgliederoffensive. Bei der Mitgliederbefragung waren rund 150.000 Menschen stimmberechtigt. Zum Vergleich: Bei der ÖVP sind es laut Angaben der türkisen Bundespartei derzeit 600.000 Mitglieder – inklusive aller Teilorganisationen. Und auch die Sozialdemokratie hatte bis vor ein paar Jahrzehnten noch weitaus mehr Mitglieder: 1980 hatten noch 700.000 Menschen in Österreich eine rote Parteimitgliedschaft. Vor drei Jahren, als Pamela Rendi-Wagner sich der ersten Mitgliederbefragung stellte, gab es noch 158.000 SPÖ-Mitglieder.

Vorsitzwahl durch Mitglieder

Und die Mitglieder, sie sollen künftig mehr Mitsprache erhalten. Das Basisvotum, wie es aus dem Dreikampf um den Vorsitz bekannt ist, dürfte in Zukunft weit öfter zum Einsatz kommen. Denn Babler will künftig über den obersten Posten in der Sozialdemokratie entscheiden lassen. Sprich: Nicht mehr die Funktionärinnen und Funktionäre am Parteitag sollen abstimmen, sondern alle. Dieses Vorgehen ist wohlbemerkt keine neue Idee von Babler, besonders die rote Jugend hatte in der Vergangenheit immer wieder diese Forderung erhoben. Allerdings: So einfach geht das nicht, Babler braucht dafür noch einmal die Delegierten hinter sich, denn sie müssen einer Statutenänderung zustimmen – auf einem Parteitag. 

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger wurde per E-Voting von den Mitgliedern gewählt.
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Blickt man in die restliche Parteienlandschaft Österreichs, ist eine starke Einbindung der Mitglieder nichts Ungewöhnliches. Die Neos setzen seit längerem auf basisdemokratische Strukturen bei innerparteilichen Wahlen. Die Bundesvorsitzende Beate Meinl-Reisinger wurde im Jahr 2021 etwa mittels E-Voting, also per Abstimmung im Internet, von den Neos-Mitgliedern gewählt. Auch bei Listen für Wahlen setzt die Partei auf teils digitale Mitgliederversammlungen, bei denen über die Kandidaten abgestimmt wird. "In einem ersten Durchgang können alle Personen, die auch nicht Neos-Mitglied sind, Punkte an einzelne Kandidaten vergeben. Danach vergeben die Neos-Mitglieder Punkte und schlussendlich der Vorstand", erklärt etwa ein Neos-Sprecher aus Niederösterreich die Listenerstellung für die vergangene Landtagswahl im Jänner. Dieses System komme bei allen Landtags- und Nationalratswahlen zur Anwendung, heißt es von den Neos. 

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Bitgit Hebein wurde von den Wiener Grünen und allen, die sich registriert haben, gewählt.
APA/WIENER GRÜNE/KARO PERNEGGER

Die Grünen wiederum haben als einzige im Parlament vertretene Partei ein Bekenntnis zu einem basisdemokratischen Vorgang in ihr Grundsatzprogramm geschrieben. Allerdings: Ihre Vorsitzenden wählt auf Bundesebene der Bundeskongress – das höchte Gremium der Grünen. Anders war das 2018 in Wien. Damals wurde die Nachfolge von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gesucht – per Spitzenwahl: Nicht nur die Mitglieder der Grünen und Unterstützerinnen und Unterstützer durften abstimmen. Auch alle, die sich für die Wahl registriert haben und einen Beitrag entrichteten. Am Ende konnten 1.850 Registrierte sowie 1.400 Mitglieder über die neue Spitze abstimmen. Gewählt wurde Birgit Hebein. 

Basis soll über Koalition entscheiden

Neben dem Mitgliederentscheid über die Vorsitzwahl will Babler auch eine Basisabstimmung über etwaige Koalitionsabkommen. Denn "für große politische Veränderungen brauchen wir euren ganzen Mut, eure ganze Kraft, euer ganzes Engagement", heißt es in Bablers Programm. Allerdings: Viele Optionen dafür ließ sich der neue Parteichef nicht offen. Die Freiheitlichen schloss er als Partner sowieso von Beginn an aus, aber auch mit der ÖVP will er nicht wirklich.

Eine Mitgliederabstimmung über ein Koalitionspapier gab es bei den Grünen zwar noch nicht. Um sich aber im Jahr 2020 eine möglichst breite Zustimmung für die Zusammenarbeit mit der ÖVP auf Bundesebene zu holen, berief die Partei einen außerordentlichen Bundeskongress ein – das sehen im Übrigen auch die Pateistatuten so vor. Dort entschieden sich die 275 anwesenden Delegierten für die heute amtierende türkis-grüne Bundesregierung. (ook, ste, 8.6.2023)