Stefan Brändle aus Paris

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzt auf eine bessere Finanzierung der Armee.
AP / Aurelien Morissard

Emmanuel Macron wird einmal von sich sagen können, er habe den Wehretat seines Landes mehr als verdoppelt. Von 32 Milliarden Euro bei seinem Amtsantritt im Jahr 2017 sollen die Militärausgaben bis zum Ende des Jahrzehnts auf 69 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Bis 2030 will Frankreich dafür insgesamt 413 Milliarden Euro ausgeben. Diesen Siebenjahresplan hat das Parlament am Mittwoch in erster Lesung mit 408 gegen 87 Stimmen abgesegnet.

Gegenüber dem Vorgängerplan steigt der französische Verteidigungsetat insgesamt um über 100 Milliarden Euro. Mit dieser Zahl zogen Parlamentarier in der Debatte den Vergleich zum deutschen Sondervermögen von 100 Milliarden, das Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kriegsbeginn in der Ukraine in seiner Rede über die "Zeitenwende" angekündigt hatte.

Für Frankreich ist die Aufstockung der Militärausgaben weniger bahnbrechend. Die Armee mit der nuklearen Abschreckung gilt in Paris seit jeher als Garant der nationalen Souveränität. Sie beruht auf einem politischen Konsens bis weit in die Linke hinein. Eine Friedensbewegung gibt es in Frankreich kaum, und abgesehen von der Zwischenkriegszeit war man in Paris nie pazifistisch gesinnt.

Weltraum, Meeresgrund, Internet

Das Streben nach nationaler Unabhängigkeit – das sich im zivilen Bereich in einem AKW-Park aus 56 Reaktoren ausdrückt – zeigt sich sehr deutlich in der neuen Planung von 2024 bis 2030: Die französische Armee soll sich rundum verteidigen können, ohne von anderen wie etwa den USA abzuhängen. Der konventionelle Bereich wird ebenso gestärkt wie die neuen Konfliktzonen im Weltraum, auf dem Meeresgrund oder im Internet.

Kernstück ist die nukleare "Force de Frappe" mit ihren 290 Sprengköpfen (Russland: 5.900, USA: 5.200); sie absorbiert 15 Prozent des Wehretats. Dazu kommt ein neuer Flugzeugträger, der die alternde "Charles de Gaulle" ab 2038 ersetzen und zehn Milliarden Euro kosten soll. Kampfdrohnen und Unterwasserroboter, künstliche Intelligenz und Cyberabwehr, Geheimdienste oder Gendarmerie: "Nichts fehlt, nichts ist überflüssig", erklärte Verteidigungsminister Sébastien Lecornu. In der Parlamentsdebatte schilderte er als Beispiel das Programm Yoda, bestehend aus französischen Satelliten, die durch das All "patrouillieren" sollen, um Attacken durch russische Himmelskörper zu verhindern.

Der umfassende Ansatz der französischen "Défense" (Verteidigung) stößt nun allerdings auf Kritik. Der Sicherheitsexperte Léo Péria-Peigné wirft der Staatsführung und dem Generalstab vor, diese hätten die Lektion aus dem Ukraine-Krieg nicht gelernt. Die Drohnenabwehr werde zwar ausgebaut, die Munitionsbestände würden um 60 Prozent aufgestockt. "Doch Frankreich kauft für ein Jahr nur so viele 155-Millimeter-Geschosse, wie die Ukraine in einer Woche abschießt", rechnet der Vertreter des französischen Instituts für internationale Beziehungen (Ifri) vor.

Stagnierende Truppenstärke

Aus Spargründen stagniert die Stärke der französischen Bodentruppen bei 80.000 Männern und Frauen. Statt wie früher geplant 200 Rafale-Kampfjets werden nur noch 140 geordert. Auch die Zahl der einsatzbereiten Panzer Leclerc sinkt unter das frühere Plansoll von 200 Exemplaren. Dass Frankreich bis heute keine schweren Panzer an die ukrainische Armee geliefert hat, dürfte auf technische Pannen und andere Einsatzengpässe zurückgehen.

Der Strategieexperte Elie Tenenbaum meint deshalb, Frankreichs Armee vernachlässige konventionelle Bereiche wie die Landarmee, weil sie alle militärischen Aufgaben und Aspekte abdecken wolle. Besser wäre es, so Tenenbaum, einzelne kostspielige Nebenaspekte wie das All oder den Meeresboden den Amerikanern zu überlassen, so wie es andere europäische Länder täten. Dafür könnten sie den in der Ukraine praktizierten "hochintensiven Kampf" verstärken.

Kaum jemand in Paris spricht die an sich sinnvollste Lösung an, nämlich eine Aufteilung der Missionen europäischer Staaten je nach Größe und geografischer Lage. Dies würde allerdings in letzter Konsequenz auf die Bildung einer europäischen Armee hinauslaufen. Und dazu ist Frankreich so wenig bereit wie andere EU-Staaten. So gern Macron die "europäische Souveränität" bemüht, so wenig ist er in der Realität zu einer Aufgabenteilung zwischen europäischen Armeen bereit. (Stefan Brändle aus Paris, 7.6.2023)