Gerhard Karner Innenminister Österreich
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) fordert im Vorfeld des Gipfels der Innenministerinnen und Innenminister der EU-Mitgliedstaaten erneut Einschränkungen der Migration nach Österreich.
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"Es geht darum, dass wir das System einfach verbessern." Mit diesen Worten begann Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Mittwochabend in der "ZiB 2" sein Plädoyer für härteren EU-Außengrenzschutz und Asylverfahren an den Außengrenzen, wenn nicht sogar in Ländern auf der anderen Seite des Mittelmeers, von Europa aus gesehen. Das österreichische Asylsystem, so Karner, sei nämlich mit 110.000 Asylanträgen im vergangenen Jahr über die Maße belastet, insgesamt verzeichne man am zweitmeisten Anträge pro Kopf in der EU nach Zypern. Und zwar als Land ohne EU-Außengrenze, wie der Innenminister im Interview mit "ZiB 2"-Moderator Martin Thür mehrmals betont. "Das System ist an vielen Stellen kaputt", so Karners Resümee.

Ein erster Schritt sei auf EU-Ebene im Februar gesetzt worden, als unter anderem mehr Budget für die Hintanhaltung von Migration an den Außengrenzen vorgesehen wurde. Am Donnerstag gehe es bei dem Gipfel der EU-Innenministerinnen und -minister darum, einen zweiten Schritt zu setzen, so Karner: Ein Asylverfahren an den Außengrenzen. Dies sei notwendig, um schon bevor Menschen EU-Boden betreten, zu unterscheiden, wer Anspruch auf Schutz habe und wer nicht. "Wir haben im letzten Jahre sehr vielen Menschen Schutz geboten", sagt der Innenminister. 100.000 Ukrainerinnen und Ukrainer wurden im Vorjahr registriert, 50.000 würden aktuell noch von der öffentlichen Hand versorgt. Er fügt hinzu: "Damit wir jenen helfen können, müssen wir auf der anderen Seite auch den Missbrauch verhindern und die  Schlepper mit aller Vehemenz bekämpfen."

ZIB 2: Innenminister Karner über den Asyl-Gipfel
Am Donnerstag sollen die EU-Innenminister in Luxemburg eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beschließen.
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Karner fordert "gerechteres" System

Österreich sei mehr belastet als Länder mit EU-Außengrenzen wie Spanien und Italien. Mit dem Beschluss im Februar sei ein erster Schritt zu einem "gemeinsamen Außengrenzschutz" gelungen. Man müsse Menschen aus Ländern wie Indien und Tunesien, die "praktisch keine Chance auf Asyl" haben, außerdem klarmachen, dass sie wieder zurückkehren müssen, sie würden sonst das System "blockieren". Er wolle das System gerechter machen, argumentiert der Minister.

Man dürfe nicht das Geschäft der Schlepper machen, sagt Karner dann. 2.500 Menschen sind im Mittelmeer im Vorjahr ertrunken, die Schuld dafür sieht er bei den Schleppern. Deshalb brauche es neue, klarere und auch gerechte Regeln.

Asylverfahren "auf der anderen Seite des Meeres"

Asylantragszentren außerhalb der Europäischen Union, eine von Karner angedachte Lösung, seien aber laut UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk eine "Politik der Grausamkeit". Wie geht das mit Menschenrechten zusammen?, fragt Moderator Thür. Am Donnerstag würden laut Karner zunächst Asylverfahren an den Außengrenzen diskutiert. Aber auch Asylverfahren in sicheren Drittstaaten – "wenn Sie so wollen auf der anderen Seite des Meeres" habe er im letzten Jahr eingebracht, damit sich Menschen nicht über das Meer auf den Weg machen. "Wir müssen doch verhindern, dass Tausende Menschen im Meer ertrinken." Laut Türk sei dies aber nicht menschenrechtskonform. "Selbstverständlich" plane etwa Dänemark, das in diesem Punkt autonomer als der Rest der EU ist, das menschenrechtskonform, sagt der Minister darauf.

Einigung auf Gipfel unklar

Seit Jahren ringen die EU-Staaten vor dem Hintergrund hoher Asylzahlen um das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Geas). In einem neuen Anlauf wollen sich die EU-Innenministerinnen und -minister, darunter Karner, am Donnerstag in Luxemburg zu zentralen Reformen positionieren. Zum einen soll die Frage nach der Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der Europäischen Union geklärt werden, zum anderen stehen eben Vorprüfungen von Asylanträgen an den europäischen Außengrenzen im Raum.

Während Staaten wie Österreich, Polen und Ungarn eine verpflichtende Quote bei der Umverteilung von Asylsuchenden strikt ablehnen, fordern südliche Länder wie Italien und Griechenland, in denen viele Migrantinnen und Migranten ankommen, seit Jahren mehr Unterstützung. Künftig soll es aber die Möglichkeit geben, sich von der Flüchtlingsaufnahme freizukaufen. Im Gespräch waren zuletzt Kompensationszahlungen um die 20.000 Euro pro Asylbewerberin respektive Asylwerber.

Ob sich die EU-Innenministerinnen und -minister am Donnerstag darauf einigen können, ist noch unklar. Gesucht wird die Zustimmung von 15 EU-Staaten, die gleichzeitig zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Kommt es zu einer Einigung, müssten sich die Mitgliedsländer noch mit dem EU-Parlament auf den finalen Gesetzestext verständigen. (red, APA, 7.6.2023)