Slipknot Metal Nova Rock Festival
Lugte zwar finster ins Publikum, war stimmlich aber etwas bedient: Corey Taylor, Sänger der Band Slipknot.
APA/FLORIAN WIESER

Nach dem Verkehrschaos im Vorjahr fädelten sich diesmal die Autokolonnen nahtlos in Richtung Nickelsdorf ein. Das Nova Rock, Österreichs größtes Musikfestival, an vier Tagen so üppig mit Bands besetzt wie in Vor-Corona Jahren, feiert in diesem Jahr sein endgültiges Comeback. Freilich müssen am gut durchtränkten Parkplatz wieder allerhand sommerbereifte PKWs aus dem Morast gezogen werden, natürlich geht auch diesmal nichts ohne Gummistiefel mit Mindestschafthöhe von 30 Zentimetern, selbstverständlich muss die geneigte Klientel in Kauf nehmen, 6,50 Euro für eine Halbe Bier und acht Euro für ein Liptauerbrot hinzublättern - wofür sie einen in jeder halbwegs bei Sinnen seienden Heurigengegend mit nassen Fetzen davonjagen würden.

Die Mittelalterband In Extremo fuhr einige exotische Instrumente auf.
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Aber: Erstens ist, wie die Spaß-Metalband J.B.O am Mittwochnachmittag singen, so ein Festival nur einmal im Jahr (wie Malle!), und zweitens ist ein Weg glücklicherweise immer dort zu finden, wo auch ein Wille sich verbirgt. Ja, man trifft hier nicht nur Rockfans, die barfüßig Kühlschränke durch die Pampa schleppen, sondern auch Feinspitze, die ihre Louis-Vuitton-Designertäschchen mit der Sänfte durch den Dreck chauffieren. Der Festivalmacher hat diesmal sogar ein Glasfaser-Internetkabel in die pannonischen Felder legen lassen, um gratis Wlan anzubieten. Was willst du mehr?

Die Sache mit Rammstein

Die Sache mit Rammstein? Ist natürlich Gespräch in jeder halbwegs nüchternen Unterredung (von denen es nicht allzu viele gibt). Und ja, die Empfindungen dazu reichen von "arg schockiert" bis "nicht überrascht". Man trifft aber auch genügend Fans mit Rammstein-T-Shirt (obwohl die Band hier gar nicht spielt, sondern aktuell gerade im 500 km entfernten München), die von alldem eher nichts hören wollen. Tatsache ist: Der maskulinen Toxizität wird mit Slipknot als Headliner auch diesmal ein Fest bereitet. Man hat bei den kuschelweichen Ansagen von Sänger Corey Taylor aber zumindest die Hoffnung nicht verloren, dass diese ausschließlich dort bleibt, wo sie hingehört: auf die Bühne.

Nova Rock Fans Festival Metal
Nova ist nur einmal im Jahr: Fans, ausgelassen.
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Haben konnte man derlei auch schon vorher, bei der mongolischen Reiterhorde The Hu zum Beispiel. Die haben mit ihren englisch geschriebenen Namensvettern so viel zu tun wie Andi Babler mit Hans-Peter Doskozil, sie ziehen mit ihren zweisaitigen, elektrisch verstärkten mongolischen Pferdekopfgeigen aber mindestens genauso in Bann. Auf sie mit Gebrüll! Herrlich anzusehen. Gleiches gilt für die deutsche Mittelalterband In Extremo und ihren Multiinstrumentalisten Dr. Pymonte von der Insel Rügen. Dort oben im feuchtkalten Norden zupft der tättowierte Pfundskerl nicht nur feinsinnig die Harfe, er spielt auch den Dudelsack, Flöte und allerlei Glockengespiel.

The HU

Die spanische Kultband Ska-P bewies dann ein ums andere Mal, warum sie den Bläser-unterstützten Ska-Punk mit ihren melodischen Alltime-Hits geradezu für sich gepachtet hat. Der Sänger Roberto "Pulpul" Gañán Ojea sieht, wenn man sich den Irokesenhaarschnitt wegdenkt, physiognomisch aus wie Nova-Rock-Gastgeber Hans-Peter Doskozil, inhaltlich allerdings ist man entschieden näher an Andi Babler dran: Schließlich geht’s hier mit allem, was der Punk aufzubieten hat, gegen Kapital und Polizei - und für ein freies Palästina oder legales Cannabis. So tanzbar übrigens, dass der Schlamm vor der Bühne mittlerweile gut trockengestampft wurde.

Nova Rock Fans Metal Festival
Stimmung gut, alles gut: Fans beim Nova Rock im burgenländischen Nickelsdorf.
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Armando Traceur

Slipknot schließlich, die Geisterbahn-Metalband aus Des Moines im nördlichen US-Bundestaat Iowa, konnte an ihre früheren Auftritte am Nova Rock nicht heranreichen. Zwar ernteten die neun Maskenmänner mit ihrem unlängst erschienenen siebenten Album "The End, So Far" gute Kritiken und Charterfolge, live aber wollte der Funke abseits des üblichen Halloween-Grusels, wenn Sänger Corey Taylor mit seinen künstlichen Stielaugen ins Publikum lugt, nicht überspringen. Er entschuldigte sich für ein Stimmproblem, was wohl die verkürzte Spieldauer erklärte, und ein Drummer war nach einem Sprung von seinem Turm von der Bühne gekrochen und nicht wiedergekommen. Auch die ikonischen Kfz-Werkstätten-Overalls, das industrieverdreckte Hinterhof-Setting, vermisste man bei dieser Show. Die vor Schmierfett triefenden Haare von Gitarrist Mick Thomson waren da noch das schönste, was an Grind übrig war.

Den Fans wars wurscht, sie tragen ihre Slipknot-Patches seit einem Vierteljahrhundert wie Abzeichen auf der Jeansweste. (Stefan Weiss, 8.6.2023)