Im Shop warten immer neue Kostüme oder Gegenstände, die käuflich erworben werden können, aber nicht müssen.
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Immer wieder liest man im Netz, dass "Diablo 4" zu teuer sei und dazu auch noch als Vollpreisspiel Ingame-Käufe anbietet, was noch viel mehr Staub aufgewirbelt hat. Dabei haben sich Preise und Ingame-Käufe mittlerweile als fixer Bestandteil in der Branche etabliert. Das mag nicht jedermann schmecken, aber anders funktionieren große Blockbuster nicht mehr. Somit muss sich die Spielerin und der Spieler entscheiden, ob sie da "mitspielen" wollen.

Alles ist zu teuer

"Diablo 4" legt gerade den erfolgreichsten Start der 26-jährigen Franchise-Geschichte hin und das, obwohl die Unkenrufe dem Spiel gegenüber anhalten. Vor allem der Preis von 70 bis 100 Euro steht immer wieder in der Diskussion und auch die Ingame-Käufe, die bestimmte kosmetische Rüstungen beispielsweise für satte 25 Euro bieten. Aber der Reihe nach.

Schon vor rund 15 Jahren wurde ich im Freundeskreis belächelt, weil ich mir Computerspiele legal besorgte. "Gibt's doch alles im Netz", wurde mir mitgeteilt. Klar, eine Generation, die mit handbeschrifteten Disketten sozialisiert wurde, die man dank Kleinanzeigenblättern wie dem Bazar oder am Schulhof besorgen konnte, wollte wenig mit 700 Schilling teuren Computerspielen anfangen. Egal ob PC oder Playstation, viele wollten Videospiele haben, aber nicht oder nur wenig dafür bezahlen.

Tatsächlich wurden Spiele damals von kleinen Teams entworfen, ohne riesigen Qualitätsabteilungen, Online-Servern oder einer Roadmap, wie man das Spiel die nächsten Jahre servicieren muss, unter anderem mit Patches. Jetzt könnte man sagen, dafür waren die Spiele früher fertig. Waren sie aber oftmals nicht, sonst hätte es nicht so viele Gurken gegeben, die in "ASM" oder "Videogames" regelmäßig zerfetzt wurden.

Komplex, komplexer, kaum teurer

Tatsächlich wurden Spiele umfangreicher und komplexer. Boten im Idealfall neben einer aufwendigen Story-Kampagne auch noch diverse Multiplayer-Modi, 4K-Auflösung und das Versprechen, auftretende Fehler auch nach Release zu beheben. Der Markt wurde größer – die größte Entertainment-Branche der Welt, wie man so oft liest. Der Markt wurde allerdings auch fragmentierter. Mehr Plattformen, mehr Anbieter und die ständige Suche nach dem "next big thing", um aus der Masse hervorzustechen.

Einmal habe ich mich mit einem Ex-Mitarbeiter eines großen Games-Publishers unter vier Augen unterhalten und ich meinte zu ihm, ob denn bald die Fortsetzung zu einer meiner Lieblingsfranchises am Horizont auftauchen würde. Er meinte lapidar: "Das wird nicht kommen. Solche Spiele lohnen nicht mehr". Damit waren Spiele gemeint, die einmal für 70 Euro auf den Markt kommen und danach nie wieder Geld einspielen würden.

Spiele sind zu teuer geworden, zumindest die Großen, um darauf spekulieren zu können, dass sich 500 Millionen Produktionsbudget durch den einfachen Verkauf des Spiels rentieren könnte. Oftmals hat man in neue Technologien investiert oder Mitarbeiterinnen aufgestockt. Wenn das Spiel dann floppt oder die Erwartungen nicht erfüllt, dann muss das Studio schließen – vielleicht sogar der ganze Publisher, wie man das in den letzten 15 Jahren durchaus öfter einmal erlebt hat. Ein aktuelles Beispiel wären "Forspoken", wo das dazugehörige Studio kurz nach Release geschlossen wurde. Die miesen Reaktionen auf den Shooter "Redfall" zog eine Reduktion des Teams um satte 70 Prozent nach sich.

Risikominimierung sieht im Idealfall deshalb so aus, dass man ein Spiel erfolgreich verkauft und es dann weiter mit attraktiven Inhalten am Köcheln hält. Da tun sich Vollpreisspiele wie "Diablo 4" oder "Rainbow Six Siege" natürlich schwer, wenn der Markt mittlerweile von Free2Play-Titeln überschwemmt ist, die keine 70 Euro hohe Einstiegshürde haben. Dafür mussten diese Spiele die Monetarisierung im Spiel perfektionieren, haben sich Mechaniken überlegt, wie man Spielerinnen bindet und dann sehr geschickt nach Bargeld fragt.

Auch ohne den Einwurf von Echtgeld kann man in "Diablo 4" bereits auf niedrigen Stufen schon ganz cool aussehen.
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Wohin des Weges?

So konnten Spiele wie "Fortnite" oder "Genshin Impact" groß werden und Millionen von Spielerinnen binden. Kein Einstiegspreis, aber perfekte Mechaniken, um den Spielern langfristig Euro abzuluchsen. Noch viel wichtiger, sie nahmen Zeit von anderen Spielen weg, die natürlich nicht gekauft werden mussten. Da wurde die erwachsene Games-Branche aus Selbstschutz aufmerksam auf diese neue Konkurrenz und versuchte sich an diesen Ideen – oftmals mehr schlecht als recht. Kostüme, die man früher in Fighting-Games freispielen konnte, musste man sich auf einmal in Paketen kaufen. In Shootern brauchte man plötzlich einen Season Pass, um keine langweilige Rüstung tragen zu müssen oder wurde im großen Ingame-Shop für eine schicke Optik zur Kasse gebeten.

Immerhin hat es sich durchgesetzt, dass nur noch selten spielerische Vorteile gekauft werden können. Wer schicker aussehen will, muss aber bezahlen. Das lasse ich als Vorwurf gelten, wenn man sonst wie eine graue Maus aussieht, "Path of Exile" wäre hier ein gutes Beispiel aus der Free2Play-Ecke. Bei "Diablo 4" ist dem aber nicht so. Schon mit Level 19 trägt mein Druide einen mächtigen gehörnten Helm und ein hübsches Fell über seinem edlen Wams.

70 Euro sind zudem ein ganz normaler Preis im gegenwärtigen Games-Geschäft. Auf der PS5 hat es sich eher bei 80 Euro eingependelt. Das sind nur wenige Euro mehr, als Playstation 3 Spiele gekostet haben und für diverse SNES-Spiele habe ich sogar bis zu umgerechnet 100 Euro hingelegt. Gut, die waren nicht digital, aber sieht man sich an, wie die Preise eines Schnitzels in dieser Zeit gestiegen sind, muss man sich fragen, wie der Strom und die Personalkosten offenbar überall gestiegen sind, nur in der Gamesbranche nicht. 

Eine Studie hat im Vorjahr festgestellt, dass ein Atari-Spiel aus dem Jahr 1977 heute umgerechnet rund 200 Euro kosten würde. Spiele sind also günstiger geworden, obwohl die Produktionskosten gestiegen sind.

Warum die vielen Worte?

Ich bin in der glücklichen Lage, diverse Videospiele für Testzwecke zur Verfügung gestellt zu bekommen. Deshalb frage ich mich immer bewusst, ob ich selbst auch das geforderte Geld hinlegen würde, wenn ich es nicht ohnehin tue. Bei "Diablo 4" kann ich die Frage in jedem Fall mit Ja beantworten, weil der Umfang des Spiels auch für Solisten und Nicht-Grinder passt und das Spiel einfach sehr gut geworden ist, was man wirklich nicht von allen Spielen behaupten kann, die in diesem Jahr erschienen sind. "Gollum", hust, "Forspoken", hust. Auch in den Jahren davor gab es unzählige Spiele, für die nie und nimmer der sogenannte Vollpreis gerechtfertigt war, auch wenn sie teuer in der Produktion waren.

Unser Hobby war noch nie so breit aufgestellt wie heute. Der beste Tipp ist deshalb, Fehlkäufe zu vermeiden. Halbfertige Titel, technisch fehlerhafte Spiele und reine Abzock-Aktionen sind nicht einmal fünf Euro wert, und das muss man den Publishern auch klar sagen und danach handeln. Dank dem sehr lauten Internet bekommt man solche Dinge oftmals zeitgerecht kommuniziert. So bleibt mehr Geld für die passenden Titel, mit denen man viel Spaß haben kann und die einem persönlich auch mal 70 Euro wert sind. Und wenn man ein wenig warten kann, gibt es ja auch regelmäßig Aktionen in den diversen Game-Shops. Da sind Spiele tatsächlich oftmals so günstig wie nie zuvor und ja, es gibt mittlerweile sogar Abo-Modelle, wo man um rund 10 Euro jeden Monat neue Games in die Bibliothek gespült bekommt. Auch das kann für so manchen ein gangbarer Weg sein. (Alexander Amon, 8.6.2023)