Salzbergbau
Im Halltal treffen Relikte des Salzbergbaus auf alpine Freizeitkultur.
Strasser

Beistand mag Bergleuten in religiöser Hinsicht willkommen sein (die heilige Barbara ist eine ihrer Schutzpatroninnen): Doch unter Tage regierte jahrhundertelang ein alter Aberglaube. Er besagt, dass Frauen im Bergwerk Unglück bringen. Als sich Marianne Mair Ende der 1960er-Jahre Zutritt zu den Stollen des Salzbergs verschaffte, war das auch schon egal. Sie konnte ohnehin nur noch das Ende einer rund 700-jährigen Bergbaugeschichte dokumentieren, die Hall einst zu einer der reichsten Städte Tirols gemacht und Geld in die Kassen der Landesfürsten gespült hatte. 1967 wurden die Haller Saline und der Salzbergbau im Halltal bei Absam stillgelegt.

Mair, aus Absam stammende Hobbyfotografin und Frau des letzten amtierenden Oberbergmeisters, hatte sich nicht nur für den Knochenjob der Knappen interessiert, sondern auch für die militärisch anmutenden Paraden, die noch in den Sechzigern zur Bergbaufolklore gehörten und die sie aus schräger Perspektive fotografierte. Gut fünfzig Jahre nachdem diese Aufnahmen entstanden sind, hat das Gemeindemuseum Absam mit der Wiener Fotojournalistin Nina Strasser abermals eine Fotografin eingeladen, sich mit der Salzgeschichte der Region zu beschäftigen. Es handle sich dabei auch um ein zentrales Kapitel der hiesigen Industrie- und Sozialgeschichte, sagt Museumsleiter Matthias Breit. Für die man sich in Tirol, wo die Selbstinszenierung als bäuerlich geprägtes Tourismusland über allem stehe, aber kaum interessiere, ergänzt er mit Verweis auf ein 2022 weitgehend unbeachtet verstrichenes 750-Jahr-Jubiläum: 1272 wurde auf dem Oberberg im Halltal der erste Stollen aufgeschlagen.

Lawine bracht Tod

Strassers fotografischer Blick bleibt an Häkelvorhängen in den Fenstern bescheidener Dienstwohnungen hängen, sie zeigt mit Bergbau-Devotionalien und Mottenfängern bestückte Simse, Details aus dem einstigen Salzamt, das heute als Flüchtlingsquartier dient, Bilder aus dem Halltal, wo die Relikte des Salzbergbaus von der alpinen Freizeitkultur überwuchert sind. Die Lawinen, die im Winter in dieses schroffe Tal donnerten, haben viele Bergleute in den Tod gerissen, man hat es dennoch bis in den hintersten Winkel hinein bebaut. Im 18. Jahrhundert entstand auf 1500 Metern Seehöhe das stattliche Herrenhaus, eine, so Breit, "josephinische Tintenburg" für ein Heer an hohen Salzbeamten.

Im 19. Jahrhundert häuften sich Berichte über die menschenunwürdigen Zustände in den Wohnstätten der Knappen. Das 1999 durch eine Lawine schwerbeschädigte Herrenhaus befindet sich heute in Privatbesitz, ein Verein bemüht sich um seinen Erhalt als Industriedenkmal. Strasser hat auch weniger beachtete, einfache Nutzbauten besucht. Abbau über Tag ist ihre Schau im Museum Absam betitelt, in deren Rahmen am Sonntag (16 Uhr) vom Leben und Arbeiten auf dem Salzberg erzählt wird. (Ivona Jelcic,8.6.2023)