Linz – Auf dem SPÖ-Parteitag hat es viele Unstimmigkeiten gegeben – aber über das Parteitagsmotto herrschte unter den Kandidaten für den Vorsitz ebenso wie unter den jeweiligen Unterstützern Einigkeit: "Soziale Politik für Österreich" ist ein Slogan, der für die SPÖ passen dürfte. Allerdings wird der Claim von der Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung gar nicht der SPÖ zugeschrieben. Sondern der Caritas.

Das geht aus der aktuellen Umfrage hervor, die das Linzer Market-Institut diese Woche im Auftrag des STANDARD durchgeführt hat.

SPÖ-Parteitag in Linz
Das Parteitagsmotto ist klar– aber nicht klar der SPÖ zugeordnet.
Heribert Corn

Gefragt wurde: "In letzter Zeit wird ja viel über soziale Politik gesprochen. Welche der folgenden Organisationen und Institutionen macht 'soziale Politik für Österreich' und welche macht eher keine soziale Politik für Österreich?"

60 Prozent sagten, die Caritas mache soziale Politik für Österreich. 25 Prozent, darunter jeder zweite erklärte FPÖ-Wähler, bestreiten das explizit. Besonders hohe Zustimmung gibt es in der Wählerschaft von Grünen und SPÖ. Von SPÖ-Anhängern wird das Parteitagsmotto ähnlich stark der Caritas wie der SPÖ zugeordnet. Unter allen Wahlberechtigten sagen nur 35 Prozent, die SPÖ stehe für soziale Politik. 48 sagen, dass das für die SPÖ nicht zutreffe.

Unter 17 vorgeschlagenen Institutionen landet die SPÖ damit auf dem achten Platz – ex aequo übrigens mit der KPÖ. Vor der SPÖ liegt (nur knapp hinter der Caritas) die Arbeiterkammer, die eigene Wohnsitzgemeinde, der ÖGB, die Sozialpartner im Allgemeinen, das Sozialministerium und die Landesregierung des eigenen Bundeslands. Als am wenigsten sozial gelten ÖVP (67 Prozent Ablehnung, 16 Prozent Zustimmung), FPÖ (65 Prozent Ablehnung, 19 Prozent Zustimmung) und die Bundesregierung (63 Prozent Ablehnung, 20 Prozent Zustimmung). 

Fokus auf Inhalte

Dieses Ergebnis zeigt, dass die SPÖ für ihr Hauptthema in den letzten Tagen und Wochen zu wenig Aufmerksamkeit erringen konnte.

Was jetzt zu tun wäre? DER STANDARD ließ auch dazu eine Frage stellen – wobei drei Punkte von jeweils der Hälfte der Befragten Zustimmung bekommen haben:

  • Zunächst lautet der von jedem Zweiten gegebene Rat, sich weniger mit den eigenen Problemen zu beschäftigen. Das wünschen sich übrigens Anhänger anderer Parteien fast im selben Maße wie erklärte SPÖ-Unterstützer. Ein Viertel aller Befragten setzt noch dazu, dass die SPÖ-Vergleiche mit früheren Parteichefs hinter sich lassen sollte.
  • Stärker gegen Korruption auftreten – das wünschen sich 51 Prozent, besonders die erklärte eigene Wählerschaft und ältere Befragte. In diesem Punkt ist der Wunsch übrigens deutlich stärker geworden als in einer Vergleichsumfrage im März.
  • Eine arbeitnehmerfreundlichere Politik fordern 50 Prozent. Auch hier sind es ältere und bereits sozialdemokratisch eingestellte Personen, die das wünschen – Berufstätige etwa im selben Ausmaß wie Pensionisten. 

Jeweils rund ein Drittel der Befragten gibt den Rat,

  • Stärker für Klimaschutz einzutreten – dieser Wunsch hat seit März um fünf Prozentpunkte auf 35 Prozent zugelegt und er ist nicht nur ein Jugendthema, sondern wird von älteren Befragten ebenso wie von Menschen in Ausbildung überdurchschnittlich stark getragen; von Menschen mitten im Berufsleben etwas weniger.
  • Ein stärkeres Engagement für einen Schutz der Außengrenzen gegen Migration wüschen sich (wie schon im März) 33 Prozent von der SPÖ – auch in der eigenen Wählerschaft vertritt das ein Drittel. Freiheitliche und ÖVP-Wähler wünschen sich das noch stärker von der Sozialdemokratie.
  • Ebenfalls 33 Prozent wünschen sich das Aufzeigen von Reformpotenzialen – besonders dringlich erscheint das jenen, die ohnehin der Sozialdemokratie anhängen, aber auch Neos-, Grün- und KPÖ-Wähler zeigen sich neugierig auf SPÖ-Vorschläge.
  • Mit 32 Prozent auf demselben Niveau ist der Wunsch nach einem stärkeren Engagement für die Anliegen von Frauen. Dieser Wunsch ist seit März – da war in der Person Pamela Rendi-Wagner noch eine Frau Parteivorsitzende – deutlich gestiegen. Und zwar bei Männern ebenso wie bei Frauen.
  • Deutlich und vor allem von Senioren selbst artikuliert ist der Wunsch von 29 Prozent, die SPÖ möge sich vermehrt für die Anliegen von Senioren stark machen.

Punkte mit deutlich mehr Zustimmung als noch im März sind der Wunsch nach mehr Weltoffenheit (24 Prozent) und einem Eintreten für ein Zusammenwachsen Europas (23 Prozent).

Strategische Entscheidungen

Wenig ergiebig sind dagegen die machtpolitischen Fragen zur strategischen Ausrichtung der SPÖ: Eine Zusammenarbeit mit den Grünen wünschen gerade einmal 15 Prozent, gleich viele sind für eine Zusammenarbeit mit der FPÖ – wobei die erstere Variante in der Parteiwählerschaft deutlich besser ankommt. Eine Zusammenarbeit mit der ÖVP wünschen sich zwölf Prozent, ebenfalls zwölf Prozent sind für eine Zusammenarbeit mit den Neos.

Umgekehrt kommt die derzeitige Praxis, sich einer Zusammenarbeit mit der Regierung im Parlament zu verweigern, auch nur bei zwölf Prozent gut an.

Die Idee, sich weiter links zu positionieren, etwa um ein Abwandern von Stimmen zur KPÖ zu verhindern, unterstützen 15 Prozent (innerhalb der eigenen Wählerschaft deutlich mehr), eine eher rechte Orientierung, um FPÖ-Wähler abzuholen, wird eher von diesen als von den SPÖ-Wählern unterstützt, insgesamt von 14 Prozent.

Nachdem bekannt wurde, dass Andreas Babler tatsächlich gewählter Vorsitzender ist, wurden mehr als 400 Wahlberechtigte noch genauer zu den Erwartungen an Babler befragt. Jedenfalls erwartet rund ein Viertel der Befragten, dass die SPÖ unter ihrem neuen Vorsitzenden kantiger wird. 39 Prozent erwarten, dass er die Partei nach links führen wird, nur sechs Prozent meinen im Gegenteil, dass es eher nach rechts gehen wird. Von Hans Peter Doskozil hätten das 30 Prozent erwartet.

Market-Politikforscher David Pfarrhofer meint, dass das Bild von Babler in der Öffentlichkeit noch nicht gefestigt ist: "Derzeit wissen ja die meisten Leute noch recht wenig über ihn – bei sehr vielen Fragen haben uns vier von zehn Befragen gesagt: Tut mir leid, kann ich nicht einschätzen. Und die wenigen Leute, die doch eine Einschätzung abgeben, äußern sich eher zurückhaltend – wenn etwa nur jeder Fünfte der SPÖ unter Babler zutraut, die Themenführerschaft zu übernehmen und nicht viel mehr meinen, dass er das Zeug hätte, Wahlen zu gewinnen. In schwachen Werten liegt aber auch eine große Chance, sich zu positionieren und Zustimmung zu generieren: Das kann sich in wenigen Monaten entwickeln."

Was zu Babler gut passen dürfte: Nur sieben Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich eine konservativere SPÖ – unter den SPÖ-Gefolgsleuten wünscht sich das überhaupt niemand. (Conrad Seidl, 8.6.2023)