Karl Doemens aus Washington

Offiziell weiß Donald Trump angeblich von nichts. "Niemand hat mir gesagt, dass ich angeklagt werde", betonte er auf seiner Propaganda-Plattform Truth Social. Doch auch der Ex-Präsident scheint anzunehmen, dass ihm in der Affäre um die versteckten geheimen Regierungsdokumente bald der Prozess droht. Er wisse seit Jahren, dass er das Ziel politisch motivierter Ermittlungen sei, polterte der republikanische Präsidentschaftsbewerber: "Wie kann das Justizministerium mich anklagen, obwohl ich nichts Falsches getan habe?"

Trump
Donald Trumps Probleme mit der Justiz werden wohl in Kürze um ein beträchtliches Stück größer.
AFP / Joseph Prezioso

Das sieht der vom Justizminister eingesetzte Sonderermittler Jack Smith offenbar anders. Nach Berichten mehrerer US-Medien hat er die Trump-Anwälte offiziell informiert, dass gegen ihren Mandanten strafrechtlich ermittelt wird. Damit stehe eine Anklage offenbar bald bevor.

Es wäre der zweite Prozess gegen den Ex-Präsidenten und der erste auf Bundesebene, nachdem er in Manhattan bereits von einem Bezirksstaatsanwalt wegen der falsch verbuchten Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels angeklagt und Anfang April dem Richter vorgeführt worden war.

Weitere Befragungen

Noch am Montag waren drei Anwälte von Trump im Washingtoner Justizministerium aufmarschiert – offenbar, um den Prozess abzuwenden. Die Ankündigung von Smith legt nahe, dass sie keinen Erfolg hatten. Derweil hörten Geschworenengerichte in Washington und Miami mit Ex-Stabschef Mark Meadows und Ex-Sprecher Taylor Budowich zwei hochkarätige Zeugen aus dem unmittelbaren Umfeld des Ex-Präsidenten an, die diesen möglicherweise belasten könnten.

Trump hatte bei seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus insgesamt 300 vertrauliche und teils hochgeheime Regierungsdokumente mitgehen und in seinem Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida lagern lassen. Nur einen Teil davon rückten seine Anwälte nach monatelanger Verzögerung auf Anforderung des Nationalarchivs heraus. Bei einer Razzia durch das FBI vergangenen August wurden rund 100 amtliche Unterlagen gefunden, die als vertraulich, geheim oder streng geheim gekennzeichnet waren.

Durch die Mitnahme und Lagerung der Papiere könnte sich Trump in mehrfacher Hinsicht strafbar gemacht haben. Ärger droht ihm nach Einschätzung von Experten nicht nur wegen der Entfernung und des Verbergens von Regierungsdokumenten. Ihm könnte wegen der Weigerung, die Papiere herauszurücken, auch die Behinderung einer Untersuchung vorgeworfen werden. Schließlich besteht der Verdacht eines Verstoßes gegen das Spionagegesetz, das die Sammlung und Weitergabe von Informationen zur Landesverteidigung nahelegt.

Brisante Tonaufnahmen

Neue Nahrung haben die Vorwürfe zuletzt durch eine Enthüllung der New York Times erhalten. Derzufolge befindet sich die Staatsanwaltschaft im Besitz von Tonaufnahmen aus dem Jahr 2021, auf denen Trump die private Verwahrung geheimer Iran-Dokumente aus dem Pentagon diskutiert. Ein solcher Beleg würde die Verteidigungslinie Trumps widerlegen, derzufolge er vom Verbleib der Papiere nichts wusste und im Übrigen noch zu Amtszeiten deren Geheimhaltung aufgehoben habe.

Unklar scheint, ob Trump nun in Washington oder in Miami angeklagt wird. Der Großteil der Untersuchungen erfolgte in der Bundeshauptstadt, wo die Staatsanwälte zahlreiche enge Vertraute Trumps, Personenschützer des Secret Service und Mitarbeiter des Trump-Firmenkonsortiums befragt haben.

Mildere Jury in Miami?

Unabhängig davon ist ein Geschworenengericht in Miami aktiv, wo sich die Straftat ereignet haben dürfte. Beobachter spekulieren nun, dass Sonderermittler Smith die Anklage in Miami erheben könnte. Das würde das Verfahren mutmaßlich beschleunigen, könnte Trump aber eine mildere Jury bescheren.

Neben der Dokumenten-Affäre ermittelt Smith in einem anderen Fall wegen Trumps Beteiligung am Umsturzversuch des 6. Jänner 2021. Es ist nicht bekannt, wie weit dieses Verfahren gediehen ist. Unabhängig davon droht Trump eine Anklage in Georgia. Die dortige Bezirksstaatsanwältin Fani Willis trägt Belege für den Versuch des Ex-Präsidenten zusammen, Vertreter der Wahlbehörde zur Verfälschung der Stimmauszählung zu drängen. Eine Anklage wird dort für den August erwartet.

Abseits juristischer Komplikationen gab es auch auf politischer Ebene schlechte News für den Ex-Präsidenten. Die vergangenen Tage hat sich in Person seines Ex-Vizepräsidenten Mike Pence und seines Ex-Beraters Chris Christie die Konkurrenz für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner prominent vergrößert. (Karl Doemens aus Washington, 8.6.2023)