Als in Österreich eine Bundespräsidentenwahl wegen einiger Schlampereien wiederholt werden musste, war die Aufregung bei weitem nicht so überwältigend wie diesmal, wo die Abstimmungswächter der SPÖ demonstrierten, dass richtig addieren keine revolutionäre Tugend ist und auch mit Excel nicht automatisch exzellenter wird.

Hans Peter Doskozil, Michaela Grubesa und Andreas Babler
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, die Leiterin der SPÖ-Wahlkommission Michaela Grubesa und der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler am 3. Juni im Rahmen eines außerordentlichen Bundesparteitages der SPÖ in Linz.
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Damals ging es ja auch nur um das höchste Amt der Republik, während man aus der rauschhaften Berichterstattung der letzten Wochen den Eindruck gewinnen musste, das Herz des Landes schlage in der Löwelstraße 18, und es könnte womöglich aufhören, das zu tun, wegen Selbstzerfleischung. Die Krokodilstränendrüsen produzierten Texte, in denen die darniederliegende Partei entweder als absolut unverzichtbar für das Land oder absolut ungeeignet für den weiteren demokratischen Betrieb eingeschätzt wurde. Die Chefredakteurin von Profil brachte einen Hauch Presse ins Magazin und steigerte sich von der schreibenden in die judikative Gewalt mit ihrem Urteil: "Schuldig im Namen der Demokratie."

Lernen, zu leiden

Weil – unter unharmonischen Umständen – ein Parteiobmann gewählt werden sollte? Oder weil jemand nicht rechnen kann? Was in der SPÖ zuletzt vonstattengegangen ist, war selbst den Genossinnen und Genossen schmerzlich zu viel, und in den Parteien lernt man auch zu leiden. Aber dass ausgerechnet sie für bürgerliches Harmoniebedürfnis zuständig sein soll, wo sie doch ohnehin schon den Sturm auf die Barrikaden zugunsten des Aufeinanderzugehens abgeblasen hat – das wäre doch viel verlangt.

Besser noch immer, auch wenn’s nichts bringen wird, einmal über die Rolle der Persönlichkeit und des Zufalls in der Zeitgeschichte, Abt. A, nachzudenken. Hätte ORF-Moderator Martin Thür nicht hingeschaut, oder nur oberflächlich, und das knappe Fehlen einer Stimme wäre ihm entgangen, dann wäre eine Nachkontrolle der Excel-Tabellen unterblieben, und Hans Peter Doskozil am Ziel eines vielleicht langjährigen Wunsches, dem Burgenland zu entsagen. Der Marxismus bliebe in Österreich auf Traiskirchen beschränkt.

Objektive Triebkraft der Geschichte

Wer immer sich künftig mit der Frage des Sozialismus in Österreich beschäftigt, wird an Martin Thür als einer objektiven Triebkraft der Geschichte nicht vorbeikommen. Wenn ihm das nur auf dem Küniglberg nicht schadet – bitte, er hat nur addiert! Und das auch nur, weil die Zahlen so eng beisammen lagen. Seit der Herr Bundespräsident, frisch gewählt, den Begriff des Arsches in die politikwissenschaftliche Knappheitsdiskussion eingeführt hat, wird erst bewusst, welche gesellschaftlichen Gefahren solche Knappheitszustände in sich bergen. Gerade die SPÖ kann davon das Lied der Arbeit singen, musste sie doch von ihrer ersten Mitgliederbefragung an schmerzlich erkennen, dass sich aus deren knappem Ergebnis nur einer als letztlicher Sieger herausgelesen hat – der Falsche. Beim Gründungs- und Einigungsparteitag der SPÖ 1888/89 gab es auch keinen Mangel an Problemen, aber kein Excel. Da hatte es Victor Adler natürlich leichter.

Jetzt werden die guten Ratschläge, die in den Medien erst auf Doskozil abgeladen wurden, auf Babler umgeladen. Nach den Ereignissen der letzten Wochen erscheint eines vordringlich: Marx mit einer Prise Lenin aufzupeppen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. (Günter Traxler, 9.6.2023)