Im internationalen Standortwettbewerb ist eine Vielzahl von Faktoren maßgeblich. Wesentlich ist die Produktivität von Arbeit, Kapital und den "immateriellen" Faktoren. Dies beeinflusst die Rentabilität von Investitionen und wie attraktiv ein Land für Investitionen ist.
Angesichts gegenwärtiger struktureller Veränderungen und systemischer Umbrüche sind Standortfragen sowohl global als auch innerhalb Europas von zunehmender und entscheidender politischer Bedeutung, um (auch) in Hinkunft wirtschaftlich im Spitzenfeld der Industrienationen dabei sein zu können.
Manche Faktoren sind geografisch, historisch oder kulturell bedingt und daher schwer beeinflussbar. Viele andere können durch politische Maßnahmen kurz- oder langfristig beeinflusst werden. In der österreichischen Diskussion hierzu ist bis dato die Qualität der öffentlichen Verwaltung als wesentlicher Standortfaktor zu kurz gekommen. Eine exzellente öffentliche Verwaltung und ihr rasches und reibungsfreies Funktionieren ist eine Conditio sine qua non für funktionierende öffentliche Infrastrukturen und exzellente Rahmenbedingungen für Unternehmungen und Beschäftigte.
Politischer Einfluss
Trotz zahlreicher "Reformversuche" des öffentlichen Dienstes in den letzten Jahrzehnten wird von vielen Beobachtern allerdings eine signifikante Abnahme der Qualität der öffentlichen Verwaltung konstatiert, vielfach aufgrund politischer Einflüsse oder Desinteresses. Dies hat auf Dauer auch eine starke demokratiepolitische Dimension. Im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung standen zuletzt (ob ungerechtfertigt oder nicht) beispielsweise die Vorbereitung, Durchführung und Aufbereitung der Covid-relevanten gesundheits- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
Fünf großen Themenbereichen muss sich die Politik verstärkt widmen:
·Qualität Effizient, flexibel und bürgernah – das sindSchlagwörter für das Marketing vergangener Reformversuche, selten jedoch zur Umsetzung gebracht.
·Technologie Österreich ist in den letzten 20 Jahren in diesem Bereich weit zurückgefallen, das politische Interesse ist gering, das Problembewusstsein kaum ausgeprägt. Oft wurde die IT um alte Verwaltungsstrukturen herum gebaut, ohne zu fragen, was seitens der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Mitarbeitenden und Politik eigentlich als Output benötigt wurde.
·EU-Kompetenzen, -Positionierungen und -Entscheidungsstrukturen Wie können wir innerhalb der Verwaltung (zur Vorbereitung für die Politik) zu vernünftigen Positionierungen in EU-Fragen kommen? Derzeit gelingt dies nur fallweise.
·Transparenz Nachvollziehbarkeit erhöht Akzeptanz und sichert Qualität.
·Objektivierung im Personalbereich Meritokratische Strukturen sind ein "a priori" für qualitativ hochwertige Strukturen.
Von der Verwaltung ist zu erwarten, dass sie qualitativ hochwertige Vorbereitungen für politische Entscheidungen und Maßnahmen erarbeitet, rasch und korrekt deren Umsetzung erledigt, und der Vollzug bestehender Maßnahmen rasch, korrekt und transparent erfolgt. Dabei ist allen Beteiligten nachvollziehbar, dass Verwaltung klarerweise "politisch" ist – was aber in klarer Abgrenzung zu "politisiert" sein sollte. Dies ist in Österreich nicht der Fall.
Viel zu tun
Eine überparteiliche Initiative zahlreicher Expertinnen und Experten, der der Autor dieses Beitrags angehört, hat Vorschläge erarbeitet, mit dem Ziel, die Bundesverwaltung – wir haben uns bewusst beschränkt – zu einem Qualitätsfaktor Österreichs im 21. Jahrhundert zu machen. Keine der Maßnahmen für sich wird eine deutliche Zunahme der Qualität bringen, gemeinsam jedoch sind sie geeignet, einen Qualitätssprung zu bewirken. Stichwortartig braucht es für eine bessere Verwaltung
· in der Organisation der Bundesministerien eine Objektivierung der Änderungen von Zuständigkeiten,
· eine zwingende Verkleinerung der Kabinette,
· Objektivierungsmaßnahmen bei Beförderungen und Einstellungen,
· schriftliche Nachvollziehbarkeit von Anweisungen,
· eine deutliche Verbesserung bei Aus- und Weiterbildung,
· eine strategische Koordinationsstelle im Bundeskanzleramt, inklusive Ausbau strategischer Planungskapazitäten und entsprechenden -kompetenzen,
· krisenresistentere Strukturen, insbesondere auch im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie.
Essenziell sind weiters:
· Europäisierung: eine inhaltliche und personelle Einbindung in europäische Netzwerke, die Stärkung der Forschung zu europäischen Themen sowie (unabhängiger!) österreichischer Thinktanks (à la Bruegel, oder Stiftung Wissenschaft und Politik) und des öffentlichen Diskurses zu diesen Themen.
· Digitalisierung: Österreich ist nach guten Anfängen zurückgefallen. Unter anderem müssen materielle und immaterielle Investitionen in Ausbildung, Forschung, Wissenstransfer und Innovationsförderung in allen Bereichen der Digitalisierung deutlich ausgebaut werden. Die derzeit häufig heterogenen und selten abgestimmten Initiativen in unterschiedlichsten Verwaltungsbereichen sollten auf Regierungsebene koordiniert werden.
· Auslagerungen: Hier ist mehr Nachvollziehbarkeit notwendig, aber auch die tatsächliche Wahrnehmung der Eigentümerfunktion, eine Steuerung durch den Eigentümer, also den Staat, statt Eigenleben; Straffung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
· Regeln für die Implementierung vereinbarter Reformen – die Schubladen sind voller nicht oder nur ansatzweise umgesetzter Vorhaben.
Keine dieser Maßnahmen wird von allein angegangen, geschweige denn umgesetzt werden. Dazu bedarf es eines starken politischen Willens, den wir uns von der nächsten Bundesregierung erhoffen. Im Interesse eines wirtschaftlich und demokratiepolitisch starken Österreichs für die nächsten Jahrzehnte hoffen wir auf Resonanz in der Politik, die dies jedoch nicht als Thema ansieht. Alles, was dies stärker ins Zentrum rückt, ist im Interesse Österreichs. (Thomas Wieser, 9.6.2023)