"Meine Großmutter Miranda startete 1948, also drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Erzeugung von Indianer- und Cowboyartikeln, Springschnüren, Windrädern und hochwertigen Federmasken. Dinge, die man aus einfachen Materialien herstellen konnte und die auch leistbar waren. Davor hat sie die Meisterprüfung in Kunstgewerbe abgelegt.

1972 war sie als Lampionmacherin zu Gast in der legendären deutschen Berufe-rate-TV-Show "Was bin ich?" bei Robert Lembke. Er hat ihren Beruf nicht erraten. Das Sparschwein, das man von der Sendung mit nach Hause nehmen konnte, steht bei mir zu Hause auf dem Fernseher. Auch meine Eltern sind dann in das Geschäft eingestiegen, und seit 1984 bin auch ich an Bord. Zuvor habe ich die Handelsschule absolviert und war zuerst bei einer Bank beschäftigt. Nach zwei, drei Jahren hab ich dann gemerkt, dass das nicht so meins war.

Fasching, Kostüme, Scherzartikel
Inhaber Andreas Greif, Enkel der Firmengründerin, die 1948 unter anderem mit der Produktion von Springschnüren, Windrädern und Federmasken startete.
Michael Hausenblas

Früher waren wir in erster Linie im Großhandel tätig. Vor 25 Jahren haben wir dann ein Geschäft in der Domgasse im ersten Bezirk gleich hinter dem Dom übernommen und das "K + K Domgasse" aufgesperrt. Ich wollte ein eigenes Geschäft und kam so zum Einzelhandel.

Werkstatt, Büro und Verkaufsflächen messen zusammen circa 240 Quadratmeter. Ich beschäftige zwei bis drei Mitarbeiterinnen. Das variiert. Es ist schwer zu sagen, wie viele Artikel wir im Sortiment führen. Ich würde schätzen, zwischen 4.000 und 5.000. Das reicht vom Gaumenpfeiferl oder einer einzelnen Feder bis hin zum hochwertigen Kostüm für um die 100 Euro. Das ist eine ungefähre Schmerzgrenze bei uns. Dafür erhält man zum Beispiel einen luxuriösen Barockmantel. Im textilen Bereich gehen in letzter Zeit 80er-Jahre-Trainingsanzüge gut weg. Die sind gerade in.

Auch der 20er-Jahre-Style läuft gut, wenn die Leute Kostüme für sogenannte Motto-Partys suchen. Die sind generell wichtig für unser Geschäft. Wir können ja nicht nur vom Fasching und von Halloween leben. Apropos Halloween. Da geht es bei uns derart zu, dass wir einen Security vor die Tür stellen müssen, der neue Kundschaft nur dann ins Geschäft lässt, wenn zuvor eine andere dieses verlassen hat. Da stoßen wir wirklich an Kapazitätsgrenzen.

Ich hab einen sehr persönlichen Zugang zu unseren Produkten. Also so Glitzer-Glamour, Musical und Zirkus, das schau ich mir immer wieder mal gern an. Was mein Lieblingskostüm ist? Eindeutig die Verkleidung als Cowboy. Die steht für das bequemste Kostüm. Man kann seine Jeans anlassen, hat Platz, um etwas einzustecken. Wichtig bei Kostümen ist auch die Haptik. Das Gruselige ist nicht so meins. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich keine Geduld zum Schminken habe.

Grundsätzlich glaube ich, dass es in der Natur des Menschen liegt, sich zu verkleiden. Der Fasching ist ein hochgradig alemannisches Thema. In Frankreich oder England findet man in Kaufhäusern während des ganzen Jahres eine Verkleidungsabteilung. Das funktioniert bei uns nicht einmal im Spielzeughandel. Dabei will ein Kind vielleicht nicht nur vier Wochen des Jahres Spider-Man sein.

Die Pyrotechnik ist auch nicht so meins, obwohl wir derlei Artikel führen. Privat habe ich in meinem Leben noch kein Geld für eine Rakete ausgegeben. Schön find ich's schon, aber wenn ich mir eine Rakete kauf, dann dürft nur ich die anschauen. Und wenn Silvester ist, gibt's sowieso tausende Leut, die Raketen in den Himmel schießen.

Nervig ist diejenige Kundschaft, die auf ein Fest geht, gut ausschauen möchte, aber kein Geld ausgeben will und über jeden Preis jammert. In so einer Situation würde ich am liebsten sagen: 'Ich hätte eine Idee für das günstigste Kostüm: Sie gehen einfach nicht auf die Party.'

Schottenmütze mit roten Haaren

Am liebsten sind mir – no na – Leute, die ordentlich einkaufen, aber auch Spaß haben wollen und nach Ideen suchen. Uns obliegt natürlich auch eine Beratungsfunktion. Da gilt es, die Kundschaft abzuklopfen im Sinne vom Aufwand, der betrieben werden soll. Manchen Menschen ist das Verkleiden einfach körperlich unangenehm. Ein Beispiel: Jemand war zu einem 'Fest des schlechten Geschmacks' eingeladen. Er wollte nicht hin. Musste aber hin. Ich habe ihm eine Trucker-Baseballmütze mit angenähten langen Haaren verkauft. Der war glücklich damit. Die Schottenmütze mir roten Haaren ist für solche Fälle ebenso eine Empfehlung. Die kostet einen Pappenstiel, und du schaust in der Sekunde anders aus. Ein anderer will wiederum von Kopf bis Fuß perfekt kostümiert sein.

Fasching, Scherzartikel, Karneval
Auf 4.000 bis 5.000 Artikel schätzt Greif das Sortiment, vom Gaumenpfeiferl bis zum Barockmantel.
Michael Hausenblas

Ob früher alles besser war? Kaufmännisch gesehen war das Geschäft planbarer. Die Kundschaft war früher nicht so informiert. Durch das Internet hat sie andere Vorstellungen, weiß besser Bescheid, was am Markt erhältlich ist. Feiern wollen die Leute immer noch.

Was die Veränderung der Innenstadt betrifft, ist das eine heikle Geschichte. Wenn man sich die Massen am Graben und auf der Kärntner Straße anschaut, ist das natürlich keine schöne Entwicklung. Wenn die Leute ausbleiben wie in der Pandemie, passt das allerdings auch wieder keinem. Mich betrifft es nicht so. Man nimmt's halt zur Kenntnis. Auf der anderen Seite kann man als Wiener auch sehr stolz darauf sein, dass sich derart viele Menschen die Stadt anschauen wollen. Man muss sich halt arrangieren.

Ob ich wieder in dieses Geschäft einsteigen würde, wenn ich noch mal jung wäre? Auf jeden Fall. Allein schon wegen meines Geburtstages. Der ist am 11. 11., also pünktlich zum Faschingsbeginn." (Michael Hausenblas, 10.6.2023)

In unserer Serie widmen wir uns besonderen Geschäften  und stellen den unterschiedlichsten Personen die Frage: "War früher alles besser?"

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