Als Elon Musk im November 2019 den Cybertruck erstmals der Weltöffentlichkeit präsentierte, hoffte er zweifellos darauf, damit einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das gelang ihm – wenn auch nicht gerade auf jene Weise, die der Tesla-Chef im Sinn hatte. Jener Moment, als die vermeintliche Unzerstörbarkeit der Fenster demonstriert werden sollte und dabei eines auf der Bühne brach, ist längst in die Internetgeschichte eingegangen.

Tesla-Boss Elon Musk bei der Vorstellung des Cybertrucks im Jahr 2019 – und vor einem unerwartet eingeschlagenen Fenster.
IMAGO/USA TODAY Network

Musk selbst reagierte damals recht souverän, betonte, dass man da wohl noch Nachbesserungsbedarf habe. Eine Aussage, die allerdings eine gehörige Untertreibung gewesen sein dürfte, wie nun interne Dokumente offenlegen. So findet sich in den unlängst vom deutschen "Handelsblatt" veröffentlichten "Tesla Files" auch ein interner Bericht zur Qualität der im Jahr 2022 aktuellen Cybertruck-Prototypen – und der fällt geradezu vernichtend aus.

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DER STANDARD

Probleme über Probleme

Die damaligen Versionen des Cybertrucks seien unter anderem von Problemen mit der Aufhängung, den Bremsen sowie dem Fahrverhalten geplagt gewesen. Zudem habe es Schwierigkeiten mit der Abdichtung des Innenraums gegeben. So hätte der Cybertruck nachträglich per Hand abgedichtet werden müssen. Eine mangelhafte Abdichtung ist dabei nicht nur ein Problem bei schlechtem Wetter, da Wasser eindringen kann, beim Cybertruck soll sie auch starken Lärm im Inneren zur Folge gehabt haben.

Die Verfasser des Berichts hatten dabei gleich 21 Stellen identifiziert, über die der Lärm nach innen drang. Dabei waren sie auch nicht sonderlich zuversichtlich, dass man das Problem rasch in den Griff bekommen könne. Generell hat Tesla immer wieder Probleme mit diesem Thema, beim Cybertruck dürfte aber noch das ungewöhnliche Design mitgespielt haben.

Und noch mehr Probleme

Fast noch schlimmer wird die Steuerung des Gefährts beschrieben. So ist etwa die Rede von "strukturellem Wackeln" sowie von "übermäßiger Abruptheit bei mittlerer Geschwindigkeit und Abgehacktheit". Auch grobe Probleme bei langsamen Fahrmanövern werden beschrieben.

Einer der negativsten Punkte in dem Bericht ist die Bremsleistung, diese kommt in der Skala der Society of Automotive Engineers nur auf einen Wert von 4, der mit "schwach" beschrieben wird. Das minimale Ziel in der Entwicklung sei ein Wert von 7 gewesen. Das interne Dokument legt nahe, dass das Bremssystem selbst im Jänner 2022 noch ein echter Problempunkt war – also Jahre nach der Vorstellung durch Musk. Damals wurden zahlreiche schwerwiegende Kritikpunkte angeführt, die in Summe ein unberechenbares Bremsverhalten ergaben.

Verblüffung

Ein Umstand, der Experten verblüfft. So streicht Andy Palmer, ehemaliger CEO von Aston Martin Lagonda sowie Ex-COO von Nissan mit mehr als 40 Jahren Erfahrung in der Branche, heraus, dass das Chassis sowie das Bremssystem eigentlich die ersten Dinge sind, an denen die Ingenieure arbeiten. Dass man hier offenbar so spät noch immer bei Prototypen mit solch grundlegenden Problemen sei, sei überraschend.

Aktuell spricht Tesla davon, dass Ende 2023 der Marktstart des Cybertrucks erfolgen soll.
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Alles Dinge, die sich natürlich mit ausreichend Ressourcen in den Griff bekommen lassen. Trotzdem zeigt sich auch ein anderer langjähriger Fahrzeugentwickler gegenüber "Wired" geradezu "überwältigt", dass Tesla so grobe Probleme mit solch grundlegenden Dingen habe. Immerhin seien das ganz klassische Herausforderungen beim Bau eines Automobils.

Ein langes Warten

Der Bericht könnte aber zumindest eine Erklärung dafür sein, warum Tesla die Auslieferung mittlerweile um mehrere Jahre verschieben musste. Ursprünglich hätte der Cybertruck bereits 2021 an die ersten Kunden gehen sollen, doch diese warten noch immer. Die meisten werden das Fahrzeug wohl nicht vor 2024 oder noch später erhalten. Tesla wollte sich zu dem Bericht bisher nicht äußern.

Schwierige Position

Klar ist aber auch, dass Tesla unter immer größerem Druck steht und langsam eine neue Erfolgsgeschichte brauchen könnte. Der letzte Launch eines neuen Fahrzeugs ist bereits ein paar Jahre her, zudem haben andere Hersteller bei Elektrofahrzeugen zuletzt stark aufgeholt, je nach Perspektive Tesla sogar überholt. Gleichzeitig werden auch die seit Jahren regelmäßig vorgenommenen Versprechen von Musk, dass nun wirklich bald ein vollständig selbstfahrendes – und sicheres – System kommen soll, nur mehr wenig ernst genommen. Es braucht also langsam etwas Neues, um die Hype-Maschine am Laufen zu halten. (red, 9.6.2023)